Parallax Error #136

Wer meint, dass Comic lesen verblödet, irrt. Von Vina Yun

 

Während »die Burka« das Abendland weiterhin in Angst und Schrecken versetzt und Thilo Sarazzin und Alice Schwarzer mit ihren »Kopftuchmädchen«- und »Keine falsche Toleranz- Sagern« Öl in die rassistisch gefärbte Debatte über »Integration« gießen, entstehen auf einem ganz anderen Terrain neue Allianzen.

Comic-Superheldin Wonder Woman (ja, die mit dem goldenen Zauberlasso und dem knappen wie ultrapatriotischen Outfit in den Farben und Mustern der US-Flagge) macht gemeinsame Sache mit Batina the Hidden – ihrerseits Mitglied der Superhero-Crew »The 99« und Burka-Trägerin. Dieses außergewöhnliche Bündnis ist Teil eines Crossovers zwischen den Verlagen DC Comics, Branchengigant in den USA, und Teshkeel Comics aus Kuwait. Seit Oktober erscheint eine gemeinsame Comic-Miniserie in sechs Teilen, in der die »Justice League of America « (für alle Nicht-Comic-Nerds: In der JLA sind Superheroes wie Superman, Batman, Wonder Woman, Green Lantern, Aquaman u.a. vereint) und die »The 99« den Schurken dieser Welt das Leben schwer machen.

»The 99« – basierend auf den 99 Namen und Eigenschaften, die Allah laut dem Koran zugeschrieben werden – wurden 2007 vom kuwaitisch-amerikanischen Psychologen Naif Al-Mutawa zum Leben erweckt, mit dem Ziel, ein »multikulturelles und tolerantes« Bild vom Islam zu propagieren. Bislang wurde etwa ein Dutzend der 99 Superheldinnen, die zur Hälfte von weiblichen Figuren gestellt werden (und von denen einige verschleiert sind), präsentiert. Zum Beispiel »Hadya, the Guide«, eine pakistanischbritische Schülerin und eine Art wandelndes GPS-System und lebendes Karten-Archiv, mit der Fähigkeit, überall den richtigen Weg zu finden. Oder Noora aus den Vereinten Arabischen Emiraten, die Licht manipulieren kann, oder die Afro-Amerikanerin Musawwira, »The Organizer«, die in jedem noch so großen Chaos ordnende Strukturen erkennen und Codes knacken kann. Die Heldinnen von »The 99« seien mehr vom Islam inspiriert als islamisch, meinte deren Erfinder Naif Al-Mutawa in den Medien. 2011 startet in sonst von Islamismus- und Terrorängsten geprägten USA gar eine »The 99«-Animationsserie, und zwar im Kinder- TV-Kanal »Hub«.

In den Fan-Foren von DC Comics denkt man indes schon weiter: »Ich wünschte, es gäbe ein Crossover mit einem jüdischen Team. DC hat eine Menge jüdischer Heldinnen: Dust Devil, Colossal Boy, Batwoman, Atom Smasher und Seraph. Vielleicht bringen wir sie dazu, einen JLA/Jewish Superhero-Comic zu machen.«

Zumindest im Comic ist man also schon um einiges weiter in Sachen antirassistische Utopien als in der Realität. Wer meint da noch, Comics lesen mache dumm?

Vina Yun, schon immer aus und in Wien, ist Redakteurin bei der feministischen Monatszeitschrift www.migrazine.at.

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