Von Feministin zu Feministin

Vina Yun ist genervt.

Von weißen mehrheitsangehörigen feministischen Frauen. Und zwar solchen, die sich auf das Thema „Kultur” spezialisiert haben und sich recht selbstverständlich zu Inter-, Trans- und sonstigen Kulturalitäten äußern – allerdings ohne dabei die eigene „Kultur” im Blickfeld zu haben.
Ein aktuelles Beispiel: In Anlehnung an den berühmten Essay „Can the Subaltern speak?” der postkolonialen Theoretikerin Gayatri C. Spivak fragt eine Ringvorlesung an der Uni Salzburg „Kann die Migrantin sprechen?” und lädt Wissenschaftlerinnen ein, zum Thema „Migration und Geschlechterverhältnisse” zu referieren. Anscheinend können diese Frage Nicht-Migrantinnen besser beantworten, denn die Mehrheit der Vortragenden sind weiße mehrheitsangehörige Frauen.
Es stimmt: In den hiesigen feministischen Debatten hat sich (nicht zuletzt nach etlichen Interventionen seitens migrantischer/ postkolonialer Feministinnen) mittlerweile durchgesetzt, dass „Gender” immer zusammen mit anderen Kategorien wie soziale Klasse, Herkunft und Sexualität zusammengedacht werden muss. Es stimmt aber auch, dass sich die Analysen zu „Intersektionalität” und „multikulturellen Perspektiven” dabei so gut wie nie auf die eigenen Dominanzverhältnisse richten.
Virulent wird diese Schieflage vor allem dann, wenn mehrheitsangehörige feministische Kritikerinnen einer staatlichen Politik gegenüberstehen, die „Geschlecht” zu einem zentralen Thema im Migrations- und Integrationsdiskurs macht. Denn in der öffentlichen Diskussion über Zuwanderung werden die ungleichen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern immer häufiger als Erklärung für die Schwierigkeit oder das Scheitern einer „erfolgreichen Integration” herangezogen. Entscheidend dabei ist, dass bestimmte Formen der Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen kausal mit „Kultur” verknüpft werden. Deutlich abzulesen ist diese Zusammenführung etwa an der Wortschöpfung des „Kulturdelikts” (Copyright by Maria Fekter). Anders gesagt: Die Rede vom „Patriarchat” dient zunehmend als Abgrenzungsmerkmal zwischen MigrantInnen und Mehrheitsgesellschaft – und das nehmen selbst die Rechten gerne in ihr Programm auf.
Letztlich dient das empörte „Aufdecken” überkommener Geschlechterarrangements im migrantischen Kontext auch immer dazu, Zuwanderung generell zu delegitimieren. Aus einer antirassistischen wie feministischen Perspektive wäre es jedoch sinnvoller, die Strukturen innerhalb der Einwanderungsgesellschaft zu thematisieren, die Migrantinnen weitgehend entmachtet. Und das bedeutet eben auch, die eigenen Privilegien zum Thema zu machen.

Vina Yun, schon immer aus und in Wien, schreibt für linke Medien

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