von Vina Yun
Die antirassistische Praxis ist mühselig. Nicht selten wird der Grund dafür bei den »Betroffenen«, den Migrantinnen, gesucht. Immer wieder höre ich von Mehrheitsösterreicherinnen: »Wir sind doch eh offen und bemühen uns. Aber bei unseren Veranstaltungen zu Migration und Rassismus kommen einfach keine Migrantinnen!« Noch mehr wird gejammert, wenn es darum geht, Migrantinnen in die eigenen Organisationen reinzuholen. Sehr oft ist dabei ein »besonderes« Projekt (Stichworte: Diversität, Migration, Multikulturalität) Anlass dafür, nach »Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund « zu suchen. Sehr selten sind solche Bemühungen von nachhaltigem Erfolg gekrönt. Warum? Möglicherweise geben folgende Beobachtungen ein wenig Aufschluss: Der Identitäts-Stempel: Migrantinnen wollen nicht dauernd über Migrationsthemen sprechen. Oder immer nur dann eingeladen werden sich einzubringen, wenn es um (Anti-)Rassismus oder Ereignisse in den »Heimatländern« geht – und damit ständig als »Fremde« markiert werden. Die Arbeitsteilung: Anstatt die eigenen Ausschlüsse zu reflektieren und zu benennen, werden gerne »Expertinnen mit Migrationshintergrund« zu Gesprächen eingeladen. Als »Profi-Migrantinnen« sollen sie die Hemmschwellen der Anderen (»Die Migrantinnen kommen nicht zu uns! Was ist los mit denen?«) analysieren und (gratis) Lösungsvorschläge unterbreiten. Das Geschenkmascherl: Nicht wenige meinen, Partizipation von Migrantinnen zu ermöglichen, sei gelebte Toleranz. Doch: Wer braucht hier eigentlich wen? Je höher der Anteil an Migrantinnen (auch super: Frauen und diverse »Minderheiten«), desto glaubwürdiger kann eine Organisation ihre pluralistischen Grundsätze und ihre gesellschaftskritische Haltung nach außen hin vertreten – und das Image glänzt.
Das »Bitte nicht stören«-Schild: »Liebe Migrantinnen, partizipieren ist toll, solange nicht unsere Arbeitsabläufe, unsere Betriebskultur oder gar das Selbstverständnis der Organisation gestört werden. Auch Systemkritik ist klasse – solange ihr sie nicht gegen uns richtet. Denn schließlich sitzen wir doch alle im selben Boot der prekären Arbeitsverhältnisse!«
Der Mehrwert: Seit allerorts von kultureller Pluralität die Rede ist, ist es nicht besonders schick, wenn im eigenen Verein nur Kartoffelgesichter sitzen. Migrantinnen sind sehr wohl gefragt – sollen aber so wenig wie möglich bis nichts kosten. Der Mehrwert, den Migrantinnen einbringen (Wissen, Erfahrungen, Kontakte etc.), äußert sich aber nur selten in z.B. gesicherten Arbeitsplätzen: Wegen der »mangelnden Professionalität«, wegen der »Sprachdefizite« oder weil man generell »nicht dem vorgegebenen Qualitätsanspruch « entspräche. Welch Zufall, dass dann nur mehr die Mehrheitsangehörigen übrig bleiben, die das neu eingerichtete Antirassismus- oder Diversity-Programm leiten können.
Vina Yun, schon immer aus und in Wien, ist Redakteurin der feministischen Monatszeitschrift an.schläge und schreibt für linke Medien.