macht:demokratie

Zwei Begriffe mit enormem Reibungspotential bilden das Thema für den Innovationstopf 2008.

„Macht“ in seiner Zweideutigkeit als auffordernder Imperativ zur Aktion und/oder als gesellschaftspolitischer Reizbegriff, der überhaupt erst die Fähigkeit zur Aktion beschreibt und wo der Missbrauch derselben gleich mitzuschwingen scheint; „Demokratie“ als Götze und leere Proto-Phrase und/oder der Rettungsanker menschlichen Zusammenlebens.

Was sich die KUPF bloß dabei denkt?

Sie stellt sich zu aller erst mal jede Menge Fragen. »Macht« gilt in den Gesellschaftswissenschaften seit Max Weber als Chance, die eigene Ansicht oder den eigenen Willen durchzusetzen. Doch gerade die freien Initiativen mit ihren basisdemokratischen Roots haben »Macht« an sich immer schon argwöhnisch beäugt – »Keine Macht für niemand«, irrten die Scherben, und die Assoziation von Macht zu Herrschaft mag auch tatsächlich nahe liegend sein – schließlich sind gerade die Initiativen, die QuerdenkerInnen oder KünstlerInnen oft Opfer von Macht: von der Staatsmacht, der Macht der Medien oder der Macht des sogenannten Faktischen. Doch dabei übersehen wir oft zweierlei: erstens kann man Macht auch positiv definieren, sie als Gegenstück zur Ohnmacht und Machtlosigkeit begreifen oder gar sie mit Hannah Arendt als soziale Fähigkeit zu Zusammenschluss und einvernehmlicher Aktion verstehen. Und zweitens: sind nicht auch die Initiativen, so rebellisch, radikal oder progressiv sie sich auch verstehen mögen, machtimmanente Konstrukte? Beugt sich nicht oft das Kollektiv der ersessenen Macht der alten Hasen und großen Checker? Oder beugt sich nicht oft der aufmüpfige Visionär der Macht des Vorstands, des Kollektivs oder der Bilanzbuchhaltung? Wir sehen also: Macht ist allgegenwärtig, sie ist Teil jeder menschlichen Beziehung und per se weder gut noch böse (und schon gar nicht links oder rechts). Wir sollten uns ihrer nicht schämen, sondern ihre Rolle in unseren eigenen Zusammenhängen stets reflektieren und nach außen hin vor allem eins mit ihr tun: sie benutzen!

Demokratie ist ein nicht minder belasteter Begriff:

die alten Griechen haben sicher etwas anderes darunter verstanden als die Hippie-Kommunen oder George W. Bush. Demokratie gilt als Karotte vor der Nase für rebellierende Bevölkerungen und als Argument für Kriege und darf als eine der breitesten und dehnbarsten Begrifflichkeiten der Gegenwart bewertet werden. Und vor allem ist es das, in dem wir alle zu leben scheinen: »Schließlich leben wir ja in einer Demokratie« hört man von allen Seiten, und vom Kapitalismus redet keiner. Doch reicht es, alle paar Jahre ein Kreuzerl zu machen, um als DemokratIn durchzugehen? Oder könnte es nicht sein, dass man Demokratie auch radikaler, bunter und jenseits von Wahlgängen versteht? Könnte man nicht auch die radikale und unmittelbare Chance auf Selbstbestimmung und die Möglichkeit zur Selbstgestaltung unserer Umwelt als demokratische Grundvoraussetzung verstehen – mit aller Macht für alle? Oder, um solche Gedanken auch wirklich konsequent fertig zu denken, hatte der junge Habermas recht und unsere sogenannte Demokratie ist in Wirklichkeit nur ein raffiniertes Befriedungsinstrument, das der Verschleierung kapitalistischer Klassenwidersprüche dient? Und müssten wir dann, ausgestattet mit der postmodernen Fähigkeit zur Dekonstruktion unserer selbstgestifteten Mythen, eine vollkommen neue Begrifflichkeit anstatt der von allen Seiten und Epochen beschmutzen »Demokratie« für ein potentielles System des positiven Zusammenlebens freier und partizipierender Menschen erfinden? Oder, um die KUPF im Dorf zu belassen: kann man Demokratie tatsächlich einfach machen, wie es eine Interpretation des Innovationstopfthemas nahelegt?

Das ursprüngliche Selbstverständnis der ersten freien Initiative

schien die Mach(t)barkeit von Demokratie verinnerlicht zu haben (so zumindest die Legende): man sah sich zumindest manchmal tatsächlich als »frei«, man versuchte zumindest manchmal aufrichtig, Pluralismus in die Einöde zu bringen, die eigene Lebenswelt aktiv und bewusst (mit) zu gestalten und, vielleicht ab und an, sah man sich sogar heimlich als Speerspitze für kommende Rebellionen und Revolutionen, die den Alltagsmief aus unserem verkrusteteten System blasen würden. Ein Selbstverständnis, dass in den letzten Jahren zunehmend verloren ging – die Realität und die Zwänge unserer Existenz machen aus fast allen Bewegungen Institutionen, und statt rebellischem Irrlicht in der Region ist man schnell Kultur- und Kunst veranstaltender Dienstleister, abhängig von spärlichen Subventionen und der Selbstmotivation der eigenen Ehrenamtlichkeit. Oder ist es nur wie bei den Definitionsversuchen zum Machtbegriff – haben wir, positiv gesehen, nicht eh schon vieles erreicht? Und sind wir nicht immer noch das Salz in der kulturellen Suppe, das für guten Geschmack und gesellschaftlichen Wandel zumindest auch ein bissi mitverantwortlich ist? Haben nicht gerade die subversiven Ansätze unserer, sagen wir mal: Popkulturarbeit, den Mainstream nicht entscheidend beeinflusst und Dinge möglich gemacht, an die vor 50 Jahren nicht im Traum zu denken war?

Mehr Fragen als Antworten also,

und wie so oft entscheidet die Macht zur Definition von Begriffen, Verständnissen und Diskursen auch über deren Bewertung. Die KUPF lädt alle Initiativen ein, sich künstlerisch und kulturell mit sich selbst und/oder ihren Umwelten auseinander zu setzen, Macht zu suchen, zu nutzen, sie zu dekonstruieren und umzudeuten. Die KUPF lädt ein, Demokratie im eigenen Kreise wie im Makrokosmos skeptisch zu beäugen und sie zu vereinnahmen, sie zu leben und sie einfach zu machen. Die KUPF lädt ein, statt Vereinsmeierei und Dienstleistung ehrliche und aufrichtige Auseinandersetzung, kulturelle Partizipation und politische Kulturarbeit zu betreiben!

Die Diskurse sind eröffnet!

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