Rendezvouz with anus

Keine Ahnung, was Turbonegro und Turbojugend zu bedeuten hat? Klemens Pilsl hat für Sie nachgelesen.

Was haben Jello Biafra, das Ox-Zine und Uta Heuser gemeinsam? Sie halten Turbonegro für die beste Band aller Zeiten. Die skandinavische Rockcombo gilt als skandalträchtig und hat es geschafft, sowohl auf die Todeslisten norwegischer Neonazis als auch Auftrittsverbote in den meisten europäischen Squats zu bekommen, sowie sich auch sonst mit allem und jedem anzulegen. Zudem verfügen sie mit der Turbojugend über den beeindruckendsten globalen Fanclub seit dem Tupperware- Movement. Uta Heuser versucht in ihrem Werk Give me Friction, Baby! Turbonegro und die Turbojugend der Band und ihrem Fanclub auf die Schliche zu kommen.

Turbonegro sind popkulturelle Wunderwuzzis – einerseits auf dem klassischen Nährboden für Rockmusik (harte Mucke, harte Drogen, harte Lyrics) aufgewachsen, andererseits die ersten, die Faschoästhetik und linksradikalisierten Denim-Glam mit aggressiv-intellektueller Homo-Propaganda, Wilhelm Reich und dem Nietzsche’n Übermenschen verbinden. Dass so ein Konzept aufgeht, ist unwahrscheinlich, aber in der Kulturindustrie geschehen regelmäßig Zeichen und Wunder. Uta Heuser versucht, die Geschichte der Band und auch ihre Funktion zu untersuchen. Leider bleibt es beim gutgemeinten Versuch – der popinteressierte Mensch ebenso wie der die-hard-Fan erfahren zwar allerlei Informatives über die Hintergründe des Fakes, aber immer dann, wenn es spannend wird, ist das Kapitel zu Ende. Wie ist das genau mit dem offensiven Durchbrechen heterosexistischer Rockliturgien? Warum der angedeutete und durchaus clever gelungene Bezug zu Wilhelm Reich? Wie ist das, wenn die Rockidole im realen Leben Marktanalysten, Pizzabäcker und Filmhochschüler sind. Wo wird das durch Übertreibung dekonstruierte Klischee wieder zu einem neuen? Und: was ist mit der im Buchtitel genannten Turbojugend: soziologisch eigentlich höchst interessant wird das Thema bis auf ein paar Sauf- G´schichteln nicht erwähnt, die durchaus innovativen Strukturen der Jugend und ihr Ertrinken in der selbstgeschaufelten Schablone einfach verschwiegen. Interessant sind aber die vielen Interviews, durchaus amüsant die Weisheiten der Band („Wir sind weniger eine Band als ein ethische Grauzone”) und wie immer aufschlussreich die Bilder (remember „ass rocket”). Fazit: eine Fan-Biographie wie viele, nur statt um David Hasselhoff oder Helmut Khol geht´s hier um die beste Rockband der Welt. Schade. Aber durchaus amüsant zu lesen! Ach so: wer von dieser Rezension kein Wort verstanden hat ist einfach zu alt. Ich empfehle als Verjüngungskur und Einstieg das 1998er-Album der Band: „Apocalypse Dudes”.

Give me Friction, Baby! Turbonegro und die Turbojugend Taschenbuch von Uta Heuser Verlag: Reiffer, A; (April 2007) ISBN-10: 3934896669 Euro 19,90,-

Klemens Pilsl arbeitet in der KAPU/Linz (www.kapu.or.at).

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