Die Nutzungen des öffentlichen Raumes

Reinhold Schachner über das neu erschienene Buch „Bildräume und Raumbilder“ von Gerald Raunig.

 

Der öffentliche Raum fungiert als Spielwiese von Aktivismus, Kunst und Theorie. Doch nicht nur in seiner physikalisch ausgedehnten Form, sondern eigentlich mit der Erfindung der Fotografie und vor allem mit der Entwicklung des Films als medialem Raum – als Raum für Repräsentationen jeglicher Art. Hier setzt nun die Aufsatzsammlung „Bildräume und Raumbilder“. Repräsentationskritik in Film und Aktivismus (Hg. Gerald Raunig) den Hebel an, um den physikalischen, aber genauso auch den medialen und virtuellen Raum mit einem Hauch Subversion zu bestücken.

Dieses Textbündel ist ein Produkt des dreijährigen Forschungsprojekts republic- art des europäischen Instituts für progressive Kulturpolitik (= eipcp). Ausgehend von den französischen Poststrukturalisten Gilles Deleuze und Félix Guattari sollen „jene Öffentlichkeiten, in denen repräsentationskritische und nicht-repräsentationistische Projekte und Kollektive agieren“, untersucht und beschrieben werden. In vier Abschnitten werden ausgehend von theoretischen Überlegungen zur Öffentlichkeit über Projektbeschreibungen bis hin zu filmtheoretischen Abhandlungen so genannte Zwischenräume der Repräsentation und Aktion ausgelotet. Zu Wort kommen sechzehn Menschen aus Theorie und Praxis, was einerseits für eine gute Abwechslung sorgt, andererseits aber unberechenbar wie das Aprilwetter daherkommt.

Theoretische Ladungen liefern beispielsweise die Philosophen Boris Buden und Stefan Nowotny ab. Buden beschäftigt sich in viel zu komprimierter Form mit der so genannten kulturellen Übersetzung, die dem europäischen Raum zu einer gemeinsamen Sprache verhelfen sollte. Nowotny geht der zweifelsohne spannenden Frage der sozialen Konstitution von Öffentlichkeit nach, doch er tut das auf der Basis eines Widerspruchs in Kants Denken, worunter die Aktualität des Themas etwas leidet. Daneben finden sich in dieser Aufsatzsammlung aber auch teils sehr persönlich gefärbte Texte aus der Praxis. Marion Hamm schildert in selbstkritischer Weise die face-to-face Kommunikationsprobleme von AktivistInnen auf einem Mediencamp. Jürgen Schmidt, der selbst mit der VolxTheaterKarawane zusammenarbeitet, berichtet von ihrem feindseligen Auftreten beim Festival der Regionen im Jahre 2003. Einige Projektbeschreibungen wie die Universal Embassy in Brüssel von Tristan Wibault oder das Centro Sociale Leoncavallo in Mailand von Andrea Membretti zeigen, wie ein öffentlicher Raum aktivistisch genutzt werden kann.

Nicht zuletzt bildet das Filmen und seine Möglichkeiten politisch zu sein einen Schwerpunkt dieser Aufsatzsammlung. So teilt der (Dokumentar)-Filmemacher Oliver Ressler seine Überlegungen zu seinen Filmen über die Antiglobalisierungsbewegung mit. Vrääth Öhner beschäftigt sich mit Jean-Luc Godard und dessen Diktum „Filme politisch zu machen“, und Hito Steyerl diskutiert den Begriff der Wahrheit am Beispiel dokumentarischer Formen. Alles in allem ein Buch mit weitgestreuten und oft mit Fachwissen vollgepfropften Beiträgen, die nicht unbedingt auf einen Nenner gebracht werden können, dennoch hat jeder einzelne Aufsatz seinen eigenen Reiz.

Gerald Raunig (Hg.): Bildräume und Raumbilder. Repräsentationskritik in Film und Aktivismus Verlag Turia+Kant, Wien 2004 ISBN 3-85132-394-7, 188 Seiten, 22 Euro

Reinhold Schachner lebt und arbeitet in Wien

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