Rezension der Studie „Die Hälfte des Himmels“ Die im September 2000 erschienene Studie „Die Hälfte des Himmels“ erfasst die Situation von kunstschaffenden Frauen in Österreich. Der quanitative Teil der Studie basiert auf den Antworten von 633 aus insgesamt 6.278 verschickten Fragebögen an österreichische Künstlerinnen. Die regionale Verteilung dabei ist sehr, leider sehr, Wien-lastig (60,10%), nur 7,57% Oberösterreicherinnen waren unter den Befragten. Zudem beinhaltet die von Edith Almhofer, Gabriela Lang, Gabriele Schmied und Gabriela Tusek im Auftrag des Büros der Frauenministerin im BKA verfasste Studie die Auswertung von 50 qualitativen Tiefen-Interviews und einen Sonderteil zur Situation der Architektinnen.
von Andrea Mayer-Edoloeyi
Triste Situation
Die Ergebnisse sind nicht wirklich überraschend: Künstlerinnen sind gegenüber ihren männlichen Kollegen nach wie vor in vielen Bereichen benachteiligt z.B. meinen 69,9% der Künstlerinnen „Männliche Künstler haben es leichter, weil ihre Arbeit besser bezahlt wird“ und sogar 84,2% stimmen der Aussage „Männliche Künstler haben es leichter, weil ihre Partnerinnen ihnen Haushalt und Kinder abnehmen“ zu; nur ein Viertel der Künstlerinnen kann ausschließlich von ihrem Einkommen aus der künstlerischen Tätigkeit leben. Fast die Hälfte der Künstlerinnen fühlt sich von den Institutionen der Kunstförderung diskriminiert. So resümieren die Autorinnen ganz klar, dass die Situation trist ist. Die Ursachen sind vielfältig, aber gründen im Wesentlichen „in der von patriarchalen Denk- und Deutungsmustern etablierten Geschlechterdifferenz“. Bedeutsam ist, – gerade anhand der neuerlichen kunstfeindlichen Angriffe seitens mancher Parteien und Gruppen, dass sich Künstlerinnen, so die Autorinnen, dadurch noch mehr als „Außenseiterinnen in einer Gruppe von AußenseiterInnen“ wahrnehmen, die ihren Ort innerhalb des kulturellen Felds immer wieder neu zu erobern haben. Schade ist, dass in dieser sehr umfassenden Studie zwar auf die Situation der Architektinnen eingegangen wurde, aber kein Augenmerk auf Frauen gelegt wurde, die aufgrund ihrer spezifischen Situation besonders benachteiligt sind. So ist „Frauen in ländlichen Regionen“ ebensowenig Thema wie die Situation von Migrantinnen als Protagonistinnen im Kulturbereich (auch jene, die nicht aus westlichen Industrieländern kommen! – immerhin 10% der in Österreich lebenden Frauen!), und lesbische Lebenszusammenhänge kommen nicht vor. Das Faktum, dass mehr als die Hälfte der Künstlerinnen ihr Elternhaus der oberen Mittelschicht oder der Oberschicht zurechnen (vermutlich ist das bei den männlichen Kollegen nicht viel anders), wird ohne tiefergehend nach Ursachen zu fragen als Tatsache betrachtet. Und warum zwar die Hälfte der Studentinnen an Kunst-Universitäten und Akademien weiblich ist, wenige Jahre danach viele Frauen aus der künstlerischen Öffentlichkeit verschwunden sind, wird nicht gefragt: „Ein arbeitsloser Künstler ist ein arbeitsloser Künstler, eine arbeitslose Künstlerin ist Hausfrau“ (Barbara Klein, Link* – kosmos.frauenraum). Zu bemerken ist aber sicherlich, dass derartige Fragestellungen vermutlich auch einen noch umfassenderen Forschungsauftrag gebraucht hätten. Hierbei muss der Gesamtkontext gesehen werden: Die ehemalige Frauenministerin Barbara Prammer hatte die Kunst und Kultur als bisher nicht beachtetes Feld in ihrem Ressort entdeckt. Leider fiel ihr nicht mehr ein, als 1999 einen gut dotierten Frauenkunstpreis auszuschreiben (der 2000 offenbar im Nirgendwo des Sozialressorts von Elisabeth Sickl verschwunden ist) und eine Studie in Auftrag zu geben. Also wird auf Bundesebene zwar nun mit fundiertem Datenmaterial, aber doch wieder von vorne angefangen werden müssen.
Fundierte Analyse, aber wenig Strategie
Die Studie liefert sehr detailliertes und wissenschaftlichen fundiertes Datenmaterial über die Situation der österreichischen Künstlerinnen. Die Autorinnen beklagen u.a., dass sehr wenig Datenmaterial über das Thema vorlag. Warum es dann keine Berücksichtigung der KUPF-Studie „Frauen – Kultur/Frauen“ gab (die sich natürlich nicht nur mit Künstlerinnen, sondern mit allen im Feld der Kunst und Kultur aktiven Frauen beschäftigt) oder eine Kooperation mit dem internationalen Forschungsprojekt „Frauen in Kultur- und Medienberufen in Österreich“ gesucht wurde, ist fraglich, ebenso warum das „Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik“ keinerlei Erwähnung fand. Die vorliegende Studie ist sicherlich im Konkreten eine sehr wertvolle Argumentationshilfe gegenüber allen, die noch immer nicht wissen, dass die Benachteiligung von Frauen in Kunst und Kultur eklatant ist: sie skizziert aber keine kollektiven Strategien der Überwindung der Situation und formuliert – außer sehr allgemeinen Wünschen nach einer Symmetrie der Geschlechter – auch wenig konkrete politische Forderungen. Dass gleich nach dem Wunsch nach der Durchsetzung des Geschlechterproporzes in der Förderung und einer vorübergehenden Privilegierung von Frauen sofort die Schaffung von marktwirtschaftlich orientierten Rahmenbedingungen und Deregulierung des Staates kommt, ist überdies wahrscheinlich sehr modern, aber höchst fragwürdig in dieser Undifferenziertheit: Viele Bereich der Kunst und Kultur können unter rein marktwirtschaftlichen Bedingungen gar nicht existieren (und das reicht von der Hochkultur bis zu experimentellen neuen Feldern!) und brauchen darum die Förderung durch staatliche Institutionen.
Handeln ist angesagt!
Summa summarum ist zu resümieren, dass dieser weitere Baustein zur Analyse der Situation sehr brauchbar für die Arbeit im Themenfeld ist und wohl auch gegenüber den politisch Verantwortlichen klaren Handlungsbedarf signalisiert. Es ist aber nun endlich auch an der Zeit, nicht immer nur zu analysieren, sondern konkrete Veränderungen durchzusetzen. Wohin es gehen könnte, zeigt (bezugnehmend auf den regionalen Kontext Oberösterreich) der im Herbst 1999 erarbeitete Forderungskatalog „frauen.fordern.kultur“ von FIFTITU% und KUPF bzw. die konkrete Vernetzungsarbeit des Vereins FIFTITU. Dass kleine Fortschritte auch machbar sind, zeigt die (voraussichtliche) Bereitschaft des OÖ. Landtags bei der Novellierung des Landeskulturförderungsgesetzes zumindest eine „Soll-Quote“ für den Landeskulturbeirat zu berücksichtigen. Für uns ist nicht Lamentieren über schlechtes Wetter, den bewölkten Himmel und den beginnenden Herbst angesagt, sondern ein von Frauen initiiertes lautes Gewitter! Denn angesichts aller vorliegender Tatsachen reicht es allemal: „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen – sie bekommen nichts“(Simone de Beauvoir).
1 – mediacult.doc Heft 04/00 „Frauen in Kultur- und Medienberufen in Österreich“ (erscheint im November Ô00). Internationales Forschungsprojekt, gemeinsam mit der MEDIACULT-Forschungspartnerin ERICArts in Bonn, siehe auch http://www.ericarts.org/women
„Die Hälfte des Himmels. Chancen und Bedürfnisse kunstschaffender Frauen in Österreich“ AutorInnen: Edith Almhofer, Gabriele Lang, Gabriele Schmied, Gabriela Tucek Eine Studie im Auftrags des Büros der Frauenministerin im BKA, erstellt in den Jahren 1998 – 1999; Verlag DeA, Skriptum