Konvergenz und Netzkultur

Netzkultur unter Schwarz-blau

von Paul Murschetz

Politische Freiheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit von alternativen Kultur- und Medieneinrichtungen ist in Österreich bedroht. Restriktive Förder- und wirtschaftliche Zensurpolitik nimmt an Umfang und Intensität zu. Für die Regierung sind innovative Kultur und Freie Medien gefährlich.

Zuerst wurde die Auszahlung vieler Förderungen verschleppt. Dann wurden die meisten der Kulturförderungen um 20% gekürzt. Besonders unliebsamen Einrichtungen wie den nicht-kommerziellen Radios strich man gleich 75% des Budgets. PolitikerInnen diffamierten Kulturschaffende.

Unter Schwarz-blau geht es auch der Netzkultur nicht besser. Obwohl die im Regierungsprogramm angekündigte „Digitalisierung des Kulturgutes“ generell wünschenswert ist und „die Frage der Konvergenz zwischen den Medien“ erkannt wurde, werden regelmässig falsche, verwirrende und widersprüchliche Signale zur staatlichen Verantwortung für Konvergenz ausgesendet.
Netzkultur hat bereits sehr früh eine Pionierfunktion übernommen, die Kunst und Kultur in Zusammenführung mit digitalen Medien vielfältig zum Ausdruck bringt und damit freie Meinungsäußerung im öffentlichen Raum stärkt und fördert. Trotzdem wird insgesamt negiert, dass Netzkultur wesentliche Beiträge nicht nur zur technologischen Konvergenz, sondern zur gesellschaftlichen Integration und kulturellen Innovation leistet.
Dazu ein paar Beispiele: der u.a. für Netzkultur verantwortliche Kunststaatssekretär Morak bestätigt, dass etwa das hervorragende Abschneiden des Projekts „World-Information.org“ von Public Netbase, ein Katalysator von Netzkultur, beim EU-Programm „Culture 2000“ ein „hervorragendes Ergebnis sei …(und) einmal mehr die vielfältige, innovative und qualitätsvolle heimische Kulturszene in Österreich“ zeige (OTS Presseaussendung, 3.8.2000). Doch gleichzeitig lässt Morak unschwer erkennen, dass es gerade bei den Vermittlern von Netzkultur wie eben Public Netbase drastische Kürzungen in den Zuwendungen geben wird (vgl. FRAME, Juli 2000).
Auch Infrastrukturminister Schmid lässt sich im Wirtschaftsblatt vom 10.3.2000 zur unmissverständlichen Erklärung hinreissen, dass Netzkultur auch ohne politisches Zutun florieren wird und ein geförderter Zugang alternativer Netzknoten ans universitäre Aconet, eine Hauptforderung des neu gebildeten Konsortiums Netzkultur

, definitiv ausgeschlossen ist (Wirtschaftsblatt, 10.3.2000).

Konvergenz zum Kommerz?

Konvergenz ist das umstrittene Modewort (hauptsächlich der Fernseh- und Internetbranche) und beschreibt den evolutionären Prozess des Zusammenwachsens der ursprünglich weitgehend unabhängig operierenden Bereiche Informationstechnologie, Telekommunikation und Medien mit dem Internet. Der Begriff kennzeichnet die Annäherung der Technologien, die Verbindung der Wertschöpfungsketten sowie das Zusammenwachsen der Märkte insgesamt. Idealiter sollten beliebig-breitbandige Inhalte weltweit über jedes Netz übersendet werden können und mit interaktiv tauglichen Endgeräten abrufbar sein. Die Triebkräfte für Konvergenz liegen in vier Bereichen: Technologie, Regulierung, Nachfrage und Wettbewerb.
Wie wachsen etwa Fernsehen und Internet zusammen?

  • FernsehzuseherInnen sind immer häufiger und länger on-line.
  • Für Internet-NutzerInnen werden audio- und video-broadcasts zugänglich.
  • WebTV und zahlreiche andere Dienste bringen Zugang zu Internet-Inhalten und Diensten via TV-Bildschirm.
  • Satelliten und terrestrische broadcast-Dienste starten datacasting.
  • Breitband-Dienste bieten neue Unterhaltungspakete an, die Video und Text integrieren.
  • Webcasting und xDSL-Technologie (breitbandige Anbindungen an das Internet wie das jetzt von der Post gehypte ADSL. Anm.) eröffnen Möglichkeiten der Entwicklung neuer interaktiver Inhalte.
  • Neue Internet-Anwendungen kombinieren Unterhaltung, Information und eCommerce-Funktionen.
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Die Schranken der Konvergenz liegen im wesentlichen beim Mangel an Leitungsverbindungen mit höherer Bandbreite, die für schnelle und multimediafähige Internetkommunikation nötig wäre und dem teuren „Internationalen Traffic“, der bei Zugriff aus dem Ausland anfällt. Auch wenn in Zukunft schnelle Kabelmodem- oder xDSL-Anschlüsse Telefon-Anschlüsse ersetzen und die Gebühren langsam gegen Null gehen werden, sind Konvergenzprojekte mit den Budgets der Netzkulturiniativen nicht ausreichend finanzierbar (siehe Thomas Lehner http://www.konsortium.at).
Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass dem Internet und seinen vielfältigen kommunikativen Möglichkeiten die Vereinnahmung und teilweise Zweckentfremdung durch rein kommerzielle Anwendungen droht. Unabhängige Netzknoten und -initiativen wollen hingegen die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien einer breiten wie kreativen NutzerInnengemeinde zur Verfügung stellen. Dies leitet sich schon aus der Grundcharakteristik des Internet als öffentlichem Gut her, das bei Verfügbarmachung für andere im Wert steigt. Nur die Infrastrukturen müssen da sein! Also: es geht nicht um die Verstaatlichung des Internet, sondern um die Förderung von Netzkultur verstärkenden Infrastrukturen.

Konvergenzregulierung – aber welche?

Die augenblicklich in Europa vorherrschende Argumentation lässt sich charakterisieren mit den Begriffen: Vertrauen in den Markt und Wettbewerb, konsequente Deregulierung und Vereinfachung der Rechtsanwendung, Vorrang von Selbst- vor Fremdregulierung. Offensichtlich ist aber auch, dass die Europäische Kommission als aktiver politischer Regulator in die beschriebenen Konvergenzprozesse eingreift. Re-Regulierungsnotwendigkeit wird dabei für das europäische und nationale Wettbewerbsrecht, für UrheberInnenrechte, Jugendschutz, Datenschutz und VerbraucherInnenschutz gesehen. Reichen diese Rahmengesetze aus? Oder müssen auch zusätzliche strukturfördernde Massnahmen gesetzt werden, um Konvergenz vom gehypten Phänomen zur von vielen gelebten kulturellen Praxis werden zu lassen?
Jedenfalls zeigt das Volumen förderpolitischer Strategien, Instrumentarien und Massnahmen den hohen Stellenwert, den technology-push-Programme der Europäischen Kommission zur Entwicklung von Methoden und Werkzeugen zur Konvergenz von Rundfunk- und on-line Medien haben. In Zahlen: das laufende 5. F&E-Rahmenprogramm in Information Society Technologies (IST) fördert die Kommission mit 3,6 Milliarden EURO für den Zeitraum 1999 bis 2002 (die Vorläuferprogramme ESPRIT, RACE, Telematics und ACTS wurden mit 12.5 Mrd. EURO gefördert).

 

Neue Finanzierungsstrategien für Netzkultur gesucht

Auch wenn die Forderung nach Unterstützung von alternativen Kultur- und Medieneinrichtungen und somit auch
Netzinitiativen und -knoten unter gegebenen politischen Bedingungen weiterhin aufrecht ist, ja sogar verstärkt vorgebracht wird, ist es ratsam, die Ausarbeitung von alternativen, multi-modalen Finanzierungsstrategien für Netzkultur ausserhalb Österreichs und damit abseits politischer Kontrolle zu suchen. Zu denken ist an passende EU-Programme wie etwa Kultur 2000/1.

In diesem Zusammenhang erscheint auch an ein Andocken nationaler Initiativen an das internationale Stiftungswesen ratsam. In Österreich leisten Privatstiftungen trotz hoher Vermögensbestände, die auf bis zu ATS 600 Mrd. geschätzt werden, kaum einen Beitrag zur Förderung sozialer, wissenschaftlicher, kultureller und anderer Gemeinwohlzwecke. Damit weist Österreich eine bedeutende Strukturschwäche im zivilgesellschaftlichen Bereich aus. International betrachtet, stellen gemeinnützige Stiftungen einen wichtigen Faktor als unabhängige MitinitiatorInnen und Mitförderer von gesellschaftlichen Anliegen wie Wissenschaft, Bildung, oder Kunst und Kultur dar.
Lasst uns Unterstützungsmöglichkeiten durch das „Free Speech Movement“ in den USA erkunden!

 

Dieser Vortrag wurde ursprünglich während des Free Speech Camps von Radio FRO im Rahmen der Ars Electronica 2000 gehalten.

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