Heilsversprechungen der Kreativwirtschaft

Sieben Monate ist Kunststaatssekretär Franz Morak nun im Regierungsamt.
Eine erste alarmierende Bilanz der IG Kultur Österreich und die Zufriedenheit der FPÖ belegen: Der Kunst und Kultur wurde mehr als nur ein Haar gekrümmt.

von Martin Wassermair

Die versteckte Drohung war schon im Februar für alle schnell durchschaut. Mit seiner Beschwichtigung, KünstlerInnen und Kulturschaffende hätten in Österreich nichts zu befürchten, gestand Bundeskanzler Schüssel bereits zu seinem Amtsantritt die eigentliche Unvereinbarkeit der FPÖ-Regierungsbeteiligung mit einer demokratischen Kulturentwicklung ein. Es dürfte ihm also zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sein, dass mit der FPÖ unter Jörg Haider über Jahre hinweg eine Haltung in den politischen Alltag eingezogen ist, die Andersdenkende nicht nur diffamiert und mit strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen bedroht, sondern zugleich auch eine Streichung der staatlichen Kultursubventionen fordert. Und dennoch: Die Verantwortung über das Kunstressort übernahm mit Franz Morak ein Regierungsmitglied der ÖVP, der nun als ehemals aufmüpfiger Rockbarde besonders glaubwürdig den Beweis erbringen sollte, dass sich eine rechts-konservative Wende vollziehen lässt, die selbst noch die Zerstörungswut der Freiheitlichen zufrieden stimmt.
Unzählige Befürchtungen wurden mit dem Auftakt der neuen Regierung herumgereicht, doch niemand mochte erahnen, was die weitere Zukunft tatsächlich bringen wird. Im Rahmen ihrer Konferenz „sektor3/kultur“ sprach die IG Kultur Österreich schon einen Monat später von einem Vorgehen der „low intensity repression“, mit dem die Kulturpolitik der bevorstehenden Jahre am ehesten zu charakterisieren ist. Dass die bundesweite Interessenvertretung der Kulturinitiativen mit dieser Einschätzung leider recht behalten sollte, zeigte sich bereits im Ergebnis der Budgetverhandlungen mit einem Finanzminister der FPÖ. Die Bekanntgabe Franz Moraks, er habe Ð im Gegensatz zu seinen Kollegen in den anderen Ressorts – angesichts einer Kürzung von 4,5% für den Kunstbereich sogar einen Erfolg herausgeholt, erwies sich für die Kulturinitiativen letzten Endes als glatte Unwahrheit.

Zunächst aber ließ der neue Staatssekretär unpräzise Trends für dieses Jahr erkennen: „Was mit den Kunstförderungsmitteln geschehen soll, wird erst in den nächsten Monaten entschieden werden“. Für viele bedeutete dies nichts Gutes, denn damit war auch klar, dass mit einer Entscheidung erst sehr spät zu rechnen ist. Und genau so kam es auch. Es folgten Wochen der Ungewissheit und der finanziellen Engpässe, die schließlich zu massiven Programmreduktionen führten, im schlimmsten Falle sogar zu Kündigungen. Aus dem Kanzleramt hieß es, man habe ein desolates System des Amtsvorgängers übernehmen müssen, aus dem anschließenden Reinemachen resultiere auch die Verzögerung. Deutlich weniger zögerlich zeigte sich das Kabinett Morak allerdings bei der Ausübung einer ganz anderen Methode. Mit der Beauftragung eines privaten Wirtschaftsprüfungsunternehmens sollen besonders unliebsame Organisationen wie der renommierte Wiener Netzkulturserver Public Netbase, die IG AutorInnen und viele kleinere Verlage einer Kontrolle unterzogen werden, ob die Bundeskunstförderungen der letzten Jahre ihrem Zweck entsprechend verwendet wurden. Zumal genau diese Feststellung alljährlich durch die Kunstsektion selbst erfolgt, ist hier die politische Absicht, das kritische Verhalten der Kunst in Schranken zu weisen und das kulturelle Feld zugleich einzuschüchtern, keineswegs von der Hand zu weisen.

 

 

Mit einer umfassenden Recherche versuchte die IG Kultur Österreich noch im Spätsommer anhand der allmählich eintrudelnden Fördererklärungen bei Initiativen, Kunsteinrichtungen und Kulturorganisationen die aktuelle Entwicklung der Kürzungen zu erheben und dabei der Frage nachzugehen, inwieweit dabei eine politische Programmatik zu erkennen ist. Das nunmehr vorliegende Ergebnis bestätigt die Vermutungen.
In allen Abteilungen der Kunstsektion wurden Budgetkürzungen vorgenommen, die das ursprüngliche „Erfolgsergebnis von 4,5%“ bei weitem überschreiten. Im Bereich der Bildenden Kunst betragen die Einschnitte im Durchschnitt immerhin 25%. Erstaunlich dabei ist, dass schon im Vorfeld sowohl der Beirat als auch die Abteilung in vorauseilendem Gehorsam ganze Arbeit zu leisten wussten. In der Literatur, sowie auch in der Musik, sieht es nicht wirklich besser aus. Besonders augenfällig ist auch das Beispiel des „Depot“ im Wiener Museumsquartier. Das überaus erfolgreiche Kuratorenprojekt zählt ganz besonders zur unliebsamen Hinterlassenschaft sozialdemokratischer Kulturpolitik, wurde mit 20% zum wiederholten Male gekürzt und sieht nun nach Entlassung aller MitarbeiterInnen einer äußerst ungewissen Zukunft entgegen. Im Theaterbereich betragen die Kürzungen zwischen 10% und 20%. Da die meisten Theater Projekt- und Produktionsförderungen erhalten, ist ein Vergleich mit den Vorjahren schwer möglich. Für den Tanz, der ebenfalls der Sparte Theater zuzuordnen ist, lässt sich jedoch mit Gewissheit sagen, dass die eigentliche Existenzbedrohung auf die alte Regierung zurückzuführen ist. Staatssekretär Morak hat hier geradezu ein leichtes Spiel.
Der österreichische Film ist der beste Nachweis dafür, wie gefährlich es mitunter sein kann, unter der neuen Regierung als Förderschwerpunkt ausgewählt zu werden. Das Staatssekretariat setzt voll auf den neoliberalen Kurs und damit auf eine bizarre „Heilsversprechung der Kreativwirtschaft“. Betroffen sind davon in erster Linie die kleinen Initiativen, denn diese sind von den profitorientierten Anforderungen des freien Marktes naturgemäß am allerweitesten entfernt. Programmkinos am Lande oder auch das „Künstlerhauskino“ in Wien hatten für heuer gar Kürzungen zwischen 70% und 100% hinzunehmen.
Auch in der Abteilung für Kulturinitiativen erreichten die Kürzungen einen Durchschnitt von 10% bis 30%. Ein höchst bedenklicher Trend, wenn man sich zugleich vor Augen führt, dass sich die Situation durch fiskalische Begleitmaßnahmen noch zusätzlich verschärft. So ist neben der Verordnung von Sicherheitsgebühren bei Veranstaltungen und vielen anderen Abgabeverpflichtungen vor allem mit der beschlossenen Neuregelung des Postversandtarifs eine weitere Belastung zu erwarten, die insbesondere die kleinen Kulturvereine mit voller Härte treffen wird.

 

 

Als unverhohlen politisch motiviert erweist sich der Umgang des Kunst- und Medienstaatssekretariats mit den Initiativen der Netzkultur sowie mit den Freien Radios. Der Grund dafür ist leicht auszumachen. Die Kulturserver schaffen den zahlreichen Aktivitäten der „Internet-Generation“ die technischen Voraussetzungen des digitalen Widerstands, die Radioprojekte wiederum nützen ihr Medium als kulturelles Instrument mit Ecken und Kanten und folgen mit dem offenen Zugang einem nicht immer gefälligen, sehr wohl aber demokratiepolitischen Prinzip. Bei ersteren steht die Antwort auf die Förderanträge zum Teil noch immer aus, die Radios wissen hingegen inzwischen sehr genau, was sie zu erwarten haben. Auf persönliche Weisung des Staatssekretärs wurde eine Kürzung der finanziellen Zuwendungen des Bundes um mehr als zwei Drittel vorgenommen, der im Jahre 2001 eine gänzliche Streichung folgen wird. Soviel ist jedenfalls schon fix.
Ob dem obersten Medienpolitiker der Republik mit einer höchst bedenklichen Änderung der Regionalradiogesetzgebung noch zusätzlich der Garaus auf legistischem Weg gelingt, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie sich das kulturelle Feld in der nächsten Zeit verhält. Noch herrscht weitgehende Ruhe. Gründe zur generellen Beunruhigung gibt es allemal. Ab 16. Oktober soll das Doppelbudget für die kommenden zwei Jahre vorliegen.
Zu diesem Zeitpunkt wird über die Existenz einzelner Kultur- und Medieninitiativen bereits zu ihren Ungunsten entschieden sein.

 

 

 

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