Klassenkampf? Klassenkampf!

Herr Mateschitz und wir. Oder: von Booten, in denen wir nicht gemeinsam sitzen.

Im Umgang mit dem Begriffspaar «Klasse» und «Klassenkampf» gibt es einen interessanten Unterschied zwischen Mitteleuropa und der englischsprachigen Welt. Von gesellschaftlichen Klassen sprechen bei uns auch deklarierte Linke höchst ungern. Wer dann womöglich noch von «Klassenkampf» spricht, muss nach allgemeiner Auffassung geistig direkt einem spätstalinistischen Gruselkabinett entstiegen sein. Dieser Begriff wird in der öffentlichen Debatte ausschließlich negativ verwendet und kommt bevorzugt dann zum Einsatz, wenn es gilt, Forderungen von Beschäftigten zu denunzieren. Da wird dann von «Experten» eine «weniger ideologische» Position eingemahnt, Einsicht in «objektive Notwendigkeiten» gefordert und düster orakelt, der gnadenlose Untergang im Standortwettbewerb sei ansonsten ausgemachte Sache.

Jenseits des Kanals, gar des Atlantiks herrscht demgegenüber aufgeräumte Nüchternheit. Ob es Klassen gibt? Nun, ganz offensichtlich gibt es die. Zwei Jahre vor der Weltwirtschaftskrise, 2006, bemerkte Warren Buffett, die Nummer drei der Forbes Liste der globalen Superreichen, «Es gibt den Klassenkampf, gut, aber es ist meine Klasse, die reiche Klasse, die diesen Kampf führt und wir sind dabei ihn zu gewinnen.» Warum streiten um gesellschaftliche Realitäten? Ja, es gibt arm und reich, wird da zugestanden. Und ja, Reichtum gibt es nur, weil die Güter dieser Welt ungleich verteilt sind. Die Frage ist also nicht, ob das so ist – die Frage ist, warum – und wichtiger noch: Wie es denn anders sein könnte?

Adam Smith, der Säulenheilige der neoklassischen Wirtschaftslehre ging ähnlich wie Buffett völlig selbstverständlich davon aus, dass der Reichtum eines einzelnen die bittere Armut von fünfhundert weiteren zwingend voraussetzte. Ihm wäre der Gedanke völlig absurd erschienen, den hundert Jahre später Katholisch-Konservative und Völkisch-Liberale in Österreich und Deutschland populär zu machen versuchten: dass es keinen Widerspruch zwischen arm und reich gebe, dass der Arbeiter im Gegenteil doch den Unternehmer ebenso brauche wie dieser ihn. «Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s den Menschen gut» hat die österreichische Wirtschaftskammer ein weiteres Jahrhundert später diese Logik in einen Slogan gegossen.

Es ist müßig darüber zu streiten, ob wir es mit Unverstand oder gezielter Meinungsmanipulation zu tun haben, wenn man uns erklärt, «Klassenkampf» sei die Erfindung einiger rabiater Linker. Die Existenz von «Klassen» beschreibt nichts anderes als die Tatsache, dass unsere Gesellschaft infolge der herrschenden Besitzverhältnisse in unterschiedliche Interessengruppen zerfällt. Zwischen diesen Interessengruppen sind vorübergehende Kompromisse möglich. Aber unter den gegebenen Voraussetzungen bleibt der fundamentale Gegensatz bestehen. Vereinfacht ausgedrückt: Unternehmen wollen ihren Beschäftigten immer so wenig Lohn für so viel Arbeit wie möglich bezahlen – diese Beschäftigten wollen zugleich immer so wenig Arbeit wie unbedingt nötig einsetzen und dafür möglichst hohe Löhne bezahlt bekommen. Die Konfrontation der Interessengegensätze, das ist der «Klassenkampf». Diese Auseinandersetzung beschränkt sich nicht auf Lohnverhandlungen. Wenn Vermögenssteuern gekürzt werden, bekommen die Reichen Geld geschenkt, das all denjenigen fehlt, die auf ein öffentliches Gesundheitswesen, auf Sozialleistungen, auf ein staatliches Bildungssystem usw. angewiesen sind.

Wenn man einmal akzeptiert hat, dass «Klassen» und «Klassenkämpfe» schlicht nicht weg zu parfümieren sind, dann ist man bereit für die zweite zentrale Frage: Welchem Interessenverband innerhalb unserer Gesellschaft gehöre ich selbst an, was sind meine sozialen Interessen? Ziehen, bildlich gesprochen, Herr Mateschitz und ich tatsächlich an einem Strang? Auf Basis dessen geht es schließlich darum, vom Denken ins Handeln zu kommen, Bündnisse zu schmieden, Problembewusstsein zu erzeugen, kurz: sich einzumischen. Dabei ist klar, dass alle von uns viel weniger Gewicht in die Waagschalen der Macht werfen können, als Multimilliardäre vom Schlage Buffett oder Mateschitz. Grund zum Verzagen? Aber nein. Am Ende gilt, was schon die Doors sangen: «We have the numbers.»


Von 18.–21. Oktober 2018 diskutiert der Momentum Kongress das Thema Klasse in Hallstatt.

Titelfoto: Shaah Shahidh, Unsplash
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