Kunzwana # 1

„Die Gegensätze in den Mittelpunkt rücken …“

… so titelte der Standard seine Beilage über das diesjährige Festival «Glatt & Verkehrt» in Krems und bezog sich dabei auf die Essenz des Projekts Kunzwana #1 der Linzer arge Zimbabwe Freundschaft, mit dem das Festival am 23. Juli sein Hauptprogramm eröffnet hat. Für das trans-kulturelle Ensemble mit MusikerInnen aus Zimbabwe, Frankreich und Österreich war es gleichzeitig Höhepunkt und Finale einer begeistert akklamierten Österreich-Tournee. Für die arge Zimbabwe Freundschaft ist es die konsequente Fortsetzung eines jahrelangen Kulturaustauschs, der nicht nur zwischen unterschiedlichen Kulturen und Genres vermitteln will, sondern in kooperativer Anstrengung künstlerisches Neuland betritt.
 

«Mitnichten kulinarisch gibt sich hingegen das Projekt Kunzwana # 1. Musik aus Afrika, die stets funktional in den Alltag eingebettet war, die die Situation der konzertanten Aufführung nur durch westlichen Einfluss kennt und in der selbstreferentielles Fortschrittsdenken noch heute weitestgehend unbekannt ist, diese Musik mit avancierter Klangabstraktion aus Europa zu konfrontieren ist ein Wagnis der besonderen Art.»
Andreas Felber, ebendort

Kunzwana #1 setzt nicht auf den gefälligen Gleichklang und das beliebige Einerlei der Weltmusik, sondern stellt die Gegensätze in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung um einen tragfähigen gemeinsamen Nenner als Basis des wechselseitigen Verstehens und Zusammenspiels zu finden. Differenz, Reibung und Risiko charakterisieren denn auch die Musik des Ensembles mit vier MusikerInnen aus Zimbabwe – Hope Masike, Josh Meck, Blessing Chimanga, Othnell Moyo – und Franz Hautzinger, Werner Puntigam und Isabelle Duthoit aus Österreich bzw. Frankreich.

«Kunzwana comes from the Shona word nzw(an)a which means listening, hearing and understanding one another.» Keith Goddard

Kunzwana als trans-kulturelle Verständigung

Von der Zimbabwe-Tournee des Duos Attwenger 1993 über die Expedition des 30köpfigen Ngoma Buntibe Ensembles Simonga durch das Tote Gebirge beim Festival der Regionen 1997 bis zur neuerlichen Beteiligung der Tonga MusikerInnen an der Parade im Rahmen von Linz09 spannte sich in den vergangenen Jahren der Bogen des Kulturaustauschs, der neben Musik auch die Bereiche Literatur, Film, Fotografie und Medienkunst umfasst.

Die künstlerische Begegnung soll gegenseitigen Respekt, kreativen Austausch und kritische Selbstreflexion fördern. Ihre Präsentation in der Öffentlichkeit soll Engstirnigkeit und Chauvinismus entgegenwirken und für Solidarität werben. Diese Ziele sind heute angesichts zunehmender Fremdenfeindlichkeit und eurozentristischer Borniertheit, trotz wachsender bürokratischer Hürden (von der Visaerteilung bis zur Förderungsabrechnung) relevanter denn je.
«Die Tragödie ist, dass sich die Kommunikation ausweitet, aber der Dialog schrumpft.» So charakterisierte der kenianische Wissenschafter Ali Mazrui in seiner bbc-Fernsehserie «Die Afrikaner» eines der wohl am meisten unterschätzten Hindernisse für die Verständigung zwischen Nord und Süd.

Ende April dieses Jahres startete die musikalische Begegnungs- und Erkundungsreise nicht von ungefähr mit einem Besuch bei der Musikgruppe Simonga im Tonga-Dorf Siachilaba, bevor man sich zum musikalischen Austausch in Harare traf. Es wurde ein spannender Prozess der Annäherung und Verständigung, dessen Ergebnisse Anfang Mai beim Harare International Festival of the Arts / hifa in Harare und in Johannesburg / Südafrika präsentiert wurden. Ganz bewusst haben die vier Virtuosen der jüngeren MusikerInnengeneration Afrikas und die drei Protagonisten der europäischen freien Improvisationsszene ein herkömmliches Aneinanderreihen und Abspielen von mehr oder weniger durcharrangierten Musikstücken vermieden. Vielmehr suchten sie den künstlerischen Thrill und die musikalische Herausforderung in Form eines frei improvisierten musikalischen Bogens mit extremer dynamischer Bandbreite und überraschenden Wendungen.

«It has begun a journey, a cascade of voices and sounds, at once resonant, rhythmic and yet quite discordant, questioning, which we dedicate in its courage and fullness to one Keith Goddard, who with his spiritual force in a tiny frame, opened a crack in a closed door and invited us all to have a peak what lies ‹beyond›. Kunzwana # 1 has already raised emotions, asked questions, had its minor setbacks, its applause and left its audiences in a little bit of wonder, what next?»
Paul Brickhill / Pamberi Trust, Harare

Kunzwana als Plattform für künstlerische Zusammenarbeit

Mit dem musikalischen Austausch wurde das künstlerische Projekt Tales of Resilience des Linzer Kulturvereins Time’s Up verbunden. Deren Sammlung und Installation von «widerstandskräftigen Geschichten » erzählt im Sinne von storytelling / story building vom Überlebensalltag in ländlichen und urbanen Konfliktzonen Zimbabwes. An diesem Projekt war in Form eines Fotoworkshops auch eine Frauengruppe aus Siachilaba wesentlich beteiligt. Das Ergebnis der Kooperation mit zimbabweschen FotokünstlerInnen wurde dann in Form einer viel beachteten Fotoausstellung und eines Radio-Interface in der National Gallery of Zimbabwe ausgestellt und hat streckenweise auch die Österreich-Tournee von Kunzwana #1 – bei Time’s Up im Linzer Hafen und beim Musikforum Viktring / Klagenfurt – begleitet. Als Referenz zu den legendären «Six Reflections» auf die Tonkunst der Tonga 1997 wurde in der National Gallery auch die Fotoinstallation «Siachilaba backstage» von Sabine Bitter und Helmut Weber gezeigt. Weiters war Werner Puntigam neben seiner musikalischen Mitwirkung auch als visueller Künstler aktiv und dokumentierte die Reise / Projekt / Begegnungen in Form seiner «inter.views» fotografisch. Im Herbst soll eine Doku DVD von Kunzwana #1 erscheinen.

Kunzwana steht für Solidarität

Das Projekt Kunzwana #1 hat sich nicht von ungefähr gleich zu Beginn auf die Tonkunst der Tonga und ihren Überlebenskampf als Minderheit sowie auf die Widerstandskultur in den urbanen Zentren von Zimbabwe bezogen. Damit wurde ein Zeichen gesetzt gegen die Marginalisierung von ethnischen Minderheiten, aber auch gegen die repressiven Rahmenbedingungen und die eingeschränkte Meinungsund Medienfreiheit im Lande. Demgegenüber versuchen die aktuellen IT und Radio Projekte wie Tonga. Online und Tonga.OnAir der Tonga Community insgesamt mehr Gehör zu verschaffen: Radio Zongwe FM in Sinazongwe / Zambia und Tonga.Online im Bezirk Binga / Zimbabwe werden von der Linzer Funkfeuer Initiative und AktivistInnen der Freien Radios in Österreich bei Aufbau und Handhabe von Kommunikationsmitteln unterstützt. Im Zeichen dieser Solidarität stand deshalb auch der Auftakt der Österreich Tournee von Hope Masike & Band in Bad Ischl, der gemeinsam mit dem engagierten Freien Radio Salzkammergut organisiert wurde.

Mit dem Projekt Tonga.Online wird versucht, die traditionellen Ausdrucksformen, die Selbstpräsentation und Schulbildung im Tongagebiet von Zimbabwe und Zambia mittels moderner Kommunikationstechnologie zu fördern. Angesichts der schwierigen politischen Situation und Lebensbedingungen in Zimbabwe sind eben nicht nur Nahrung, sondern auch Zugang zu Information und Wissen überlebenswichtig. So befruchtet und fördert der Kulturaustausch nicht nur die Verständigung vor Ort, sondern auch die Kommunikation und Freundschaft über Grenzen und Kontinente hinweg.
 

Die NGOs Kunzwana Trust in Harare und ARGE Zimbabwe Freundschaft / ARGEZIM in Linz haben in Zusammenarbeit mit KünstlerInnen und PartnerInnen in Nord und Süd über zwei Jahrzehnte hinweg einen regen Kulturaustausch zwischen den beiden Ländern entwickelt. Der 2009 verstorbene zimbabwesche Komponist und Menschenrechtsaktivist Keith Goddard spielte dabei eine Schlüsselrolle. In seinem Sinne wurde auch das jüngste Projekt, die Bildung eines transkulturellen Ensembles Kunzwana # 1 genannt. Das Wesentliche ist dabei das stets wache Zu- und Aufeinanderhören, das den musikalischen Dialog in solcher Intensität erst ermöglicht.
 

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-> soundcloud.com/…/ live-at-musikforumviktring- 2014 | kunzwana.net | mulonga.net | timesup.org/ToR

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