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… oder wie wir die Zeit neu erfanden. An der Schnittstelle zwischen Kunst-Wissenschaft und Aktivismus. Barbara Huber fasst Textbausteine eines spannenden Projekts zusammen. 

T I K – Time Inventors‘ Kabinet ist der Titel eines laufenden Projektes an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Aktivismus, das von OKNO (Brüssel) initiiert wurde und von COL-ME (Bratislava) und ESC (Graz) als Partnerorganisationen mitgetragen wird. Es forciert die Auseinandersetzung mit und Interesse an Ökologie sowie Medienkunst und bildet ein kollektives Experiment. Idee des Projektes war von Anfang an, Zeit von ökologischen Faktoren messen zu lassen. TIK wird von European Culture 2007-2013 gefördert. Folgender Artikel von Barbara Huber, Aktivistin bei COL-ME, verdichtet Inhalte, Ideen und Formate von TIK zu einem bemerkenswerten und forderndem Text. »TIK ist ein äußerst komplexes Projekt, an dem sehr viele Menschen gleichzeitig in viele verschiedene Richtungen arbeiten. Das macht es so schwierig einen Text zu schreiben, der auf einer rein deskriptiven Ebene herum schwimmt«, schreibt uns die Autorin aus Bratislava. Muss er auch gar nicht: der Text basiert nun unter anderem auf Textbausteinen aus der kollektiven Arbeitsplattform (TWIKI), formal wie inhaltlich spiegelt er die unglaubliche Vielschichtigkeit und radikale Komplexität dieses außergewöhnlichen Projektes.

TI[C]K m. Nomen, der; -s/-es; -s/-e

1. wunderliche Eigenart, sonderbare Angewohnheit, Schrulle Medizin: gleichförmig wiederkehrende, unwillkürliche (nervöse) Zuckung eines Muskels.

2. Geräusch der Uhr (vervollständigt durch TAK)

3. Abkürzung für: Time Inventor’s Kabinet. Ein Kunst/Kulturprojekt der Organisationen OKNO (Brüssel), COL-ME (Bratislava) und ESC (Graz) + zahlreichen weiteren Partnerinnen und Mitwirkenden, das sich mit ökologischen Ansätzen im Bereich der Medienkunst beschäftigt, sowie ein kollektives Experiment mit Zeit beinhaltet, in welchem diese durch ökologische Muster definiert wird, die sich im super-atomaren Bereich abspielen und sich nicht ans Cäsium binden.

Vielerlei vielschichtiges TIK – Time Inventors‘ Kabinet – gleich einem alchemistischen Labor, in dem es vor Ideen und Ansätzen wimmelt, wie in einem Bienenstock. Apropos Biene – das Exzerpt aus der kollektiven Arbeitsplattform sagt:

Das BienenBeobachtungsProjekt transformiert zwei (2) DachGärten im Zentrum der Landeshauptstadt Brüssel, die sich in etwa 0.5 km Distanz befinden, in Kommunikations- Kessel. Beiderseits soll die Installation von Bienenstöcken vorgenommen werden. Die Erwartungen sind dahingehend, dass die Bienen mit der räumlichen Distanz zurechtkommen, sie überbrücken und die jeweiligen Dachgärten mit ihrem geschäftigen Treiben assoziieren. Die Präsenz und Aktivitäten der Bienen und ihrer Kolonien können wir exemplarisch für das Kommunizieren der Gärten untereinander schlechthin verstehen.  Der Zwischenraum als hypothetisch nachbarschaftlicher Inter-space (also Zwischenraum). Das Beobachten und Überwachen der Aktivitäten unserer lieben Kleinen führt zu direkten Daten. Technologie: Kamera, Sensoren, réseau citoyen open citynetwork.1

Direkte Daten – doch wozu? Um das zu interpretieren, was wir zuerst sensorisch ertastet haben? Doch halt: ein Cäsium-Atom, welches uns den Ablauf des Tages zu diktieren scheint (scheinbar, weil die Uhr selbst kein Cäsium-Atom ist, konkret, weil das Atom, wie das Urmeter am Altar der Standardisierungen angebetet wird und es ergo so sein MUSS), also dieses Cäsium-Atom selbst eine Interpretation der Daten ist. Seit 1967 gilt also:

Eine Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.2

Insofern postulieren wir folgende Axiome, die tatsächlich ebenfalls in eine Interpretation von Daten münden, jedoch unser Leben in einer grundlegenden Konstante (Zeit) verändern (können). Diese Axiome können gleicherweise auf andere ökologische Einheiten übertragen werden (z.B. Bienen) solange es sich dabei um nicht-vorhersagbare und nicht-lineare Daten handelt.

 Axiome:

… eine Winduhr ist ein Apparat, der die Bewegungen des Windes misst

… die Winduhr kann dieses auf jegliche nur vorstellbare Weise tun, solange wir TIKS daraus ableiten können

… ein TIK ist eine Zeiteinheit, die von der Winduhr gemessen wird und sollte idealerweise analog zur Windbewegung stehen

… alle Winduhren sollen analog laufen in dem Sinne, dass eine vergleichbare Dynamik zwischen Winduhren, die demselben Wind ausgesetzt sind, beobachtbar wird

… eine Winduhr ist geographisch verortbar, um Windzeitzonen (WTZ) daraus abzuleiten die gegenwärtige Windzeit einer Person ist die mittlere Interpolation ihrer Position zu umliegenden Winduhren und gemessen am Mittel der Distanz zu den jeweiligen Winduhrzonen.

… eine Winduhr ist nur dann vollkommen funktionstüchtig, wenn sie an ein Netzwerk

angeschlossen ist.1

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Notizen aus dem Projekttagebuch von TIK

(Vergangenheit/Präsens/Zukunft):

2010-11-26 – versonnenes Wälzen meiner Gedanken während der ersten Ecotime-Conference in Brüssel über operative Verbindungen zwischen Winduhren und Connected Open Greens (COG). Freilich gibt es eine gleichermaßen wichtige Aufgabe, nämlich die TimeBendingClock (TBC)3 mit COG (wieder)zu verbinden. Der mit der TBC verbundene Vorschlag ist die Konzipierung und Katastierung von Ecotime Zonen innerhalb der COGs. Damit können wir herausfinden, inwiefern ganze COGs Ecotime Zonen werden können, und welche gleichermaßen und gleichzeitig funktionierende Knotenpunkte des TBC Netzes werden könnten.

2010-10-31 – zwischenzeitliches Programmieren der TBCW (TimeBendingClock- Work) Seite abgeschlossen. Inkludiert Log, eine Fotogalerie, Sketches etc.. und einen enzyklopädischen Rahmen. Gegenwärtiger gleichzeitiger Versuch, in dieselbe Inhalt einzufüllen mit bereits gesammeltem ungeordnetem Inhalt. Kurz: hoffentlich bald online.

2010-08-15 – zurück von der HOME MADE LAB Woche inklusive TBC Zettelkasten Präsentation und Besuch in schweizerischschwedischen Uhrenmanufakturen, dem Musée d’Horloge und andere Exkursionen.

2009-08-22 – nachgehendes nachsinnen über kongruente konzepte unwilliger windzeit – genauer die frage nach minus und plus zeit, wo deren gleichermaßen kommensurable absurdität die frage des tages stellt. wenn wir der annahme folge leisten, dass unsere einheiten mehr von gewohnheit ausgelöst, durch tickende runde dinger zerhackt werden, können wir vorheriges nachsinnen möglicherweise um das wort absurdität erleichtern. Jedoch problem! wo minus und plus, da auch null.

2011-07-23 – brüten im süden der sonne, wo die radiowellen knistern. vereint durch den anbruch einer neuen zeit formulieren wir bilder der zukunft in unbekannten gefilden. download und installation unbekannter wind-apparate im rahmen des verordneten kulturaustausches.

2011-02-30 – radia gejaule im äther der vom wind betriebenen kollektiv getriebenen. Inhalt durch re-enactment garantierter echt-slowaken und solcher, die es noch werden wollen, einchoreographiert. ein taktstock im ¾ takt gibt die richtung an. aus dem programm von ‚content workshop for radiomakers‘ – bratislava, 14th – 18th of march 2011: historical radio approaches, guerilla radio in Banska Bystrica – re-enactment of WWII – guerilla radio in central slovakia, original context: forced mobility of the transmitter and generally fragile conditions, form: signal interruptions, technology: will be built during the first workshop in february, soundscapes: urban tension (»we interrupt this programme «, alarms, public safety warnings…), material: slovak radio archive – um hier nur ein paar zu nennen. 1

Es darf also spannend werden.

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Z eit kann nur im Kollektiv funktionieren. Zeit spielt keine Rolle, wenn wir uns nicht in Beziehung zu anderen setzen oder in Beziehung zu etwas anderem setzen (zu anderen als andere Subjekte, zu etwas anderem als das andere – als Nicht-Subjekt). Insofern ist unser Begehren und Ansatz kollektiv. Eine Winduhr alleine produziert keine Zeit, keine WTZ (Windzeitzone), sondern nur Tiks im Sinne des nervösen Zuckens ohne Ziel und Zweck – eine Energie, die sich nur um ihrer selbst Willen aufrecht erhält. Wir kollektivieren Arbeitsschritte im konstanten Austausch mit anderen, die in die Prozesse quasi mit hineingezogen werden und sich im eigenen System, das immer im Austausch mit anderen steht, eigenes schaffen und sich wieder zurückverbinden. Kollektives (Be-)Schreiben als Prozess kollektiven Schaffens.

Ein Beispiel:

das Anwenden der sogenannten Grounded Theory – ein sozialwissenschaftlicher Ansatz zur Datenauswertung. Die Auswertung des Mediums passiert auf der Basis von dem, was eigentlich da ist und nicht ausgehend von einer Theorie. Die Theoriebildung wird quasi erst durch die Auswertung des Betrachteten im Nachhinein vorgenommen. Durch das wiederholte Betrachten des Materials kann etwas Neues aus dieser Betrachtung erstehen, etwas, das vorher nicht da war, oder versteckt unter einem Layer an vorbelasteten Interpretationen lag.1 Im Zuge des Workshops ‚Writing TIKS‘ wurde dieser Prozess als kollektives Ereignis realisiert.

 Ein Exzerpt aus der Arbeitsplattform beschreibt bereits Aufgezeichnetes als reine Beobachtern: 4

 

Ein Zeigefinger dreht eine Mutter auf eine lange Gewindestange. Im Hintergrund eine Jacke, die auf einem Stuhl hängt. Der Ort ist so eine Art Werkstatt. Ein Holztisch auf der linken Seite. Die Gewindestange ist an einer transparenten Plastikkonstruktion befestigt. Durch die Konstruktion gehen zwei horizontale Schrauben. Die Hand bewegt sich schnell und lässt die Gewindestange erzittern. Im Hintergrund sprechen Leute miteinander. Die Mutter bewegt sich nach unten, die Hand bewegt sich nach unten. Eine Frau lacht. Als die Mutter das Ende der Stange erreicht, werden der Daumen und Ringfinger eingesetzt, um die Stange zu unterstützen. Das Drehen wird dadurch schneller. Die Konstruktion bewegt sich ein bisschen von links nach rechts. Die Hand schraubt die Mutter komplett nach unten, bis sie auf der Plastikkonstruktion sitzt. Der Daumen hält die Konstruktion. Eine Hand dreht an einer langen Schraube. Die Hand ist nervös. Rhythmische Bewegungen. Die Hand dreht eine kleine Mutter. Fünf Finger tauchen auf. Ein Tisch, ein Stuhl und einige Kabel im Hintergrund. Am Ende der langen Schraube taucht ein Stück Plexiglas auf. Unregelmäßiges Filmmaterial (mehrere Sequenzen) von Menschen, die zusammen an einem Tisch arbeiten, in einem Raum mit Laptops, Werkzeugen und elektronischen Bauteilen, während sie diskutieren, was sie tun. Die Kamera zoomt auf Details, wie zb. Hände, die etwas tun, Instrumente, die gebaut werden und Computermonitore. Die Kamera rastet immer kurz, bevor sie sich weiterbewegt. Das Projekt als lebendiges Laboratorium, das sich weiterbewegt bis zurück in den Sommer von 2012. Wie? So:

Abhängigkeiten:

       *java

       *openfire xmpp server

       *mysql datenbank

 

Konfiguration des TAK Servers (also des Windzeitservers) folgendermaßen vornehmen:

in takserver-default.properties:

      log.file=log/takserver.log

      tak.port=30223

      tik.host=localhost

      tik.port=5222

      tik.pubsub=pubsub

 in takserver-dao.properties:

      tak.dao.host=localhost

      tak.dao.user=XXXX

      tak.dao.passwd=XXXX

      tak.dao.schema=tak

 

TAK Server starten und Clock Objekte senden. Erste europäische Windzeit erstellt.1

1 http://timeinventorskabinet.org

2 www.ptb.de

3 www.under-construction.cc/tbcw/

4 http://padma.okno.be/Vsbgqwov

Barbara Huber ist Vorstandsmitglied des Vereins COL-ME in Bratislava. Sie lebt und arbeitet in Linz sowie Bratislava und ist meistens unterwegs. Übersetzungen und freie Interpretationen wurden von der Autorin daselbst vorgenommen. Exzerpte aus Artikeln und Beiträgen von: Verena Kuni, Annemie Maes, Isjtar, Cuco, div. Unbekannten Workshopteilnehmerinnen. Dank an Jürgen Rendl. http://timeinventorskabinet.org

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