Über Geld reden

Patricia Köstring über Grundlagen der Kampagne »Fair Pay für Kulturarbeit«

Darf in Zeiten des großen Sparens über »Mehr Kohle« geredet werden?Eine Kampagne der Ländervertretung der IG Kultur Österreich stellt die Fragenach (leistungs)gerechter Bezahlung für Dienstnehmerinnen und Freiberuflicheinnerhalb der autonomen Kulturarbeit.

Der Freiwilligenbericht des BMASK von 2009 versuchte sich auch an einer Definition von Arbeit im Unterschied zu Tätigkeit und Engagement: Tätigkeit sei der neutralste Begriff, bei Engagement stehe die »interne Motivation« im Vordergrund, Arbeit betone den »produktiven Charakter« des Getanen, zu Tuenden. »Kultur muss sich lohnen« ist die Kampagne »Fair Pay für Kulturarbeit« untertitelt, mit der die Ländervertretung der IG Kultur Österreich als Vernetzungsorgan der IG-Länderorganisationen das Augenmerk von Politikerinnen, Kulturinitiativen und Publikum darauf lenken möchte, dass – ganz abgesehen vom hohen Anteil freiwilliger, d.h. unbezahlter Arbeit – die im Bereich der autonomen Kulturarbeit arbeitenden Menschen nicht angemessen bezahlt werden. Dass somit von einer strukturellen Absicherung des Feldes nicht die Rede sein kann. Die Außensicht auf freie und autonome Kulturarbeit ist oftmals eine solche, dass hier leidenschaftliche, also »engagierte« Menschen etwas auf die Beine stellen, ihr Grätzel oder ihre Ortschaft kulturell beleben, als Privatpersonen einen Verein gründen und dann quasi hobbypolitisch den Landesfürstinnen auf die Finger schauen. »Ist ja eine gute Idee, aber das muss sich doch auch um zwei Drittel des angesuchten Betrages realisieren lassen«, scheint die spezifische Außensicht der Fördergeberinnen zu sein. Wie in Wien, wo Projekte mit einem niedrigeren, aber dafür genehmigten Subventionsbetrag nochmals entsprechend neu kalkuliert eingereicht werden müssen, damit eine Durchführung auch ja vertraglich sichergestellt werden kann. Oder »Wir fördern Kunst, aber keine Künstlerinnen«, wie in Tirol, wo Kulturschaffende ohne institutionellen Background kaum Chancen haben, Kunst- und Kulturprojekte selbstständig durchzuführen, weil Honorarnoten von Einzelpersonen vom Land nicht als abrechenbare Kosten anerkannt werden. Die Innensicht von Kulturarbeiterinnen entfaltet sich entlang eines Dilemmas: Ja, Kulturarbeit macht oft Spaß, ja, sie ist – als regionale Nahversorgung, als gesellschafts- und kulturpolitischer Beitrag – eine persönliche Notwendigkeit, ja, sie ist Freiraum und Ort der Teilhabe. Gleichzeitig sind Lebensentwürfe, die sich vielfach mit diesem Engagement verbinden, oft jenen zum Verwechseln ähnlich, die unter dem Label »Liberalisierung « Arbeitnehmerinnen und –suchenden aus anderen Feldern als schlankes Zukunftsmodell abverlangt werden (Flexibilität, Ortsunabhängigkeit, Projektorientierung als Umschreibung für Nicht-Anstellung etc.).

 

Die Fair Pay-Kampagne möchte nicht zuletzt auch für einige feine Unterschiede sensibilisieren:

Dafür, dass Kulturarbeit auch Arbeit an der Gesellschaft ist; dafür, dass hier – bei allen Ähnlichkeiten zu neoliberalen Job-Descriptions – nach wie vor ein Arbeitsmodell jenseits des Leistungsparadigmas gelebt wird. Und nicht zuletzt dafür, dass das Lohndumping und Prekarität im Bereich der autonomen Kulturarbeit eben nicht der Freiwilligkeit (im Sinne von freiwilligem Verzicht aufs Geld) geschuldet sind, sondern dem Umstand, dass viele Kulturinitiativen und Kulturschaffende versuchen, ihnen wichtige Projekte trotz miserabler Fördersituation zu realisieren. Ein Herzstück der Kampagne ist demnach die Einführung von Mindeststandards. Im Rahmen der Kampagne werden ein Gehaltsschema bzw. eine Richtlinie für Honorare präsentiert. Die entsprechenden Stundensätze orientieren sich an den von der Tiroler Kulturinitiative (TKI) erarbeiteten »Honorarrichtlinien 2011« bzw. am Gehaltsschema für Vereine der GPA. Ziel ist die Übernahme dieser Richtlinien in entsprechende Förderanträge von Kulturschaffenden und Kulturinitiativen. Und Ziel hinter dem Ziel ist, ass diese Anträge auch so – quasi »trotz« einer angemessenen Kalkulation für Personal und freiberuflich Involvierte – eine gerechte Chance auf Förderung haben. Dazu ist ein Umdenken notwendig: Für Kulturinitiativen und Kulturschaffende dahingehend, dass die Forderung einer angemessenen Bezahlung Teil des eigenen Denkmodells werden kann und muss. Für die Fördergeberinnen dahingehend, dass es die Ergebnisse freier Kulturarbeit nicht zum (Fast)Nulltarif gibt. Als »Partners in Crime« sollen durch die Kampagne auch die ca. vier Millionen Besucherinnen, die jährlich an den Programmen von Initiativen der freien Kulturarbeit teilhaben, angesprochen und dafür sensibilisiert werden, dass sich Kultur für alle Beteiligten lohnen sollte. Die Kampagne läuft zunächst bis Herbst 2012.

Materialien und  wischenergebnisse auf http://igkultur.at/projekte/fairpay    www.facebook.com/fairpay1

Patricia Köstring lebt als freiberufliche Kulturarbeiterin und Journalistin in Wien. Sie koordiniert derzeit unter anderem die Kampagne Fair Pay.

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