Das politische Rad

Klemens Pilsl und Christian Diabl haben zwei Menschen aus dem Organisationsteam des Cyclocamp, Zwili und Max, zum Gesprächgebeten.

Ende Juli treffen fahrradbewegte Aktivistinnen aus ganz Europa in der schönen Donaugemeinde Ottensheim zum Cyclocamp 2011 zusammen, um sich über ihre gemeinsame politische und kulturelle Arbeit auszutauschen. In Workshops, Diskussionen und Partys wollen sich die Protagonistinnen verschiedener Bike Cultures kennen lernen und vernetzen.

 Das Rahmenprogramm wird dabei nicht vorgegeben, sondern in guter, alter DIYManier von allen Teilnehmerinnen eigenverantwortlich und kollektiv entwickelt und umgesetzt.

KUPF: Was sind eigentlich Bike Cultures?

Max: Darunter versteht man die verschiedensten Initiativen, die sich um das Zentralthema Fahrradfahren entwickelt haben und im Kontext von reclaim the streets stehen. Verwandt sind sie etwa mit Guerilla Gardening oder der Wagenplatzbewegung, es besteht also ein enger Zusammenhang zum öffentlichen Raum.

Zwili: Es geht natürlich darum, Fahrradfahren zu erleichtern. Aber eben nicht nur auf einer rein politischen Ebene: Fahrradfahren ist nicht nur das ökologischere und das gesündere Verkehrsmittel, sondern es macht letztendlich auch mehr Spaß.

M: Ein Beispiel ist etwa die Critical Mass. Dabei fahren möglichst viele Fahrradfahrerinnen nebeneinander und bringen den Autoverkehr zum Stillstand. Ziel ist aber nicht die Störung des Autoverkehrs, sondern ein Fahrradfahren in einer fahrradfreundlichen Umgebung zu ermöglichen. Dabei fahren auch viele Räder mit, die mit »normalen« verkehrstauglichen Rädern wenig zu tun haben. Damit in Verbindung stehen die Bike Kitchens, das sind Fahrrad-Selbsthilfe-Einrichtungen, wo zum Beispiel Tallbikes, Lastenräder oder auch einfach nur lustige Räder gebaut werden. Genauso wie die Autofahrerinnen ihre Autos auf GTI pimpen, ist die Critical Mass auch ein GTI-Treffen für Fahrradfahrerinnen.

KUPF: Fahrradfahren wird in der Öffentlichkeit hauptsächlich als Sportart wahrgenommen. Warum ist Fahrradfahren ein

Politikum?

Z: Es geht darum, öffentlichen Raum zurückzuerobern. Wer darf öffentlichen Raum nutzen, wer nicht? Das ist eine immanent politische Frage! In der Praxis wird es natürlich auch politisch, wenn es um die daraus resultierenden Auseinandersetzungen geht: mit Autofahrerinnen, mit der Polizei, mit der öffentlichen Verwaltung.

KUPF: Sind alle Autofahrerinnen Arschlöcher und alle Radlerinnen leiwand?

M: Natürlich nicht! Aber der Knoflacher1 sagt immer: das Auto ist eine Gehirnwaschmaschine, die einen daran gewöhnt, sich bequem und ohne Aufwand von A nach B zu bewegen. Aber so einfach ist das nicht, man nutzt schließlich Ressourcen, die nur sehr begrenzt zur Verfügung stehen. Da ist Radfahren natürlich die adäquatere und nachhaltigere Fortbewegungsart, und Leute, die sich bewusst dafür entscheiden, sind tendenziell weniger Arschlöcher als Leute, denen das wurscht ist.

KUPF: Die klassischen Organisationsformen der außerparlamentarischen Linken waren ja etwa besetzte Häuser, Infoläden oder auch Parteien. Diese bauen stark ab, neuere Organisationsformen wie jene aus den Bike Cultures gewinnen aber zunehmend an Bedeutung. Seht ihr euch in der linken Bewegungstradition? Oder frönt der Bike-Aktivismus eher einem lustbetonten Lebensgefühl jenseits solcher Altlasten?

Z: Für die Wiener Bike Kitchen kann ich sagen, dass sich der Großteil der Menschen als Teil der Linken begreift. Das zeigt sich durch unsere Teilnahme an Demos, an Antifa-Vernetzungen und unserer antisexistischen Arbeit, etwa rund um den männlich tradierten Werkstattkontext. Im Unterschied zur traditionellen Linken sehen wir uns aber in einem recht entspannten Kontext.

M: Auch unsere Preispolitik, die bei uns auf Spendenbasis beruht, ist Resultat unseres politischen Verständnisses. Vor allem finde ich die BK aber deswegen politisch, weil sie viele Menschen politisiert, die eigentlich nur wegen dem Radeln dazugestoßen sind. Es gibt ja gerade in der breiten Fahrradkultur-Szene viele Fixie-Fahrerinnen oder Botinnen, die sich mit der Thematik nie kritisch auseinandergesetzt haben. Da geben wir sicher wichtige Anstöße.

KUPF: Nun aber zum Cyclocamp, worum geht es dabei?

M: Das Cyclocamp ist ein Vernetzungstreffen von Fahrrad-Selbsthilfewerkstätten aus ganz Europa. Es kommen Leute aus Rom, Barcelona, Prag, Budapest, Zagreb und so weiter. Es geht darum, sich über bestimmte gemeinsame Herausforderungen auszutauschen, sich kennen zu lernen und gemeinsam Spaß zu haben

Z: Unter der Woche wird es hauptsächlich Workshops sowie informellen Austausch geben, am Wochenende werden wir das in Party überführen. Mit Konzerten, Filmvorführungen und was sonst noch dazugehört.

KUPF: Wer sind die Veranstalterinnen desCyclocamp? Mit welchen Erwartungenwird es veranstaltet?

Z: Veranstaltet wird es von den Bike Kitchens aus Linz, Graz und Wien. Wir erwarten uns Erfahrungsaustausch etwa zu folgenden Fragen: wie gehen wir mit der Preispolitik in Bike Kitchens um? Wie können wir antisexistische Arbeit voranbringen? Wie können wir Lobbying-Arbeit fürs Fahrradfahren leisten? Da erwarten uns schon Erkenntnisse aus der Diskussion mit anderen Ländern und Städten.

M: Wir sind auch für alle offen, die sich für genau diese Fragen interessieren und uns kennenlernen wollen. Wir machen aber kein Festival mit Konzerten, Zelten, Party. Es ist ein Do-It-Yourself-Festival, das heißt jede Teilnehmerin ist aufgefordert, aktiv mitzuarbeiten.

 Danke für das Gespräch.

 Cyclocamp 2011

26. – 31. Juli 2011

am Rodlgelände in Ottensheim bei Linz

Infos und Anmeldung:

www.cyclocamp.org

 

1 Anm. Red: Prof.em. Hermann Koflacher: österr.

 Zivilingineur und Verkehrsplaner, TU Wien

 

 

 

 

Zwili und Max sind Aktivisten der Bike Kitchen Wien.

 

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