Ein Prozess als Strafe

„§278a. Gemeint sind wir alle!“

Über den Prozess gegen die Tierbefreiungsbewegung und seine Hintergründe. Christian Diabl.

Die Erleichterung war groß, als alle angeklagten Tierschützerinnen freigesprochen wurden. Der spektakuläre Mafia-Prozess hat aber eines deutlich gezeigt. Politischer Aktivismus kann in Österreich existenzgefährdend sein. Eine Verurteilung ist dafür gar nicht notwendig, denn Ermittlungen, U-Haft und Gerichtsverhandlung können in diesem Fall nur als schwere Strafe bezeichnet werden. Die Optik ist fatal, denn es drängt sich der Verdacht auf, dass ein mächtiger Industriezweig nach persönlicher Intervention die Staatsgewalt dazu gebracht hat, lästige Kritikerinnen mundtot zu machen. Bezahlt wurde die Repression von uns allen. Eine millionenteure Sonderkommission hat über Jahre zahlreiche Aktivistinnen überwacht, 10 von ihnen saßen monatelang in U-Haft, 13 wurden schließlich ohne Beweise angeklagt und trotz einer miserablen Prozessführung freigesprochen. Polizei und Staatsanwaltschaft haben sich dabei zwar bis auf die Knochen blamiert, aber ihre Aufgabe doch auch erfüllt. Die Auswirkungen auf die Freigesprochenen sind nämlich gravierend: Arbeit weg, Studium abgebrochen, unschuldig inhaftiert und alles in allem drei Lebensjahre entweder im Gefängnis, mit Aktenlesen oder vor Gericht verbracht. Die Verhandlung selbst wirkt wie ein gescheiterter Schauprozess. Nicht auszudenken, wie es ohne das massive Medieninteresse ausgegangen wäre. Instrument der Repression war der §278a, der sogenannte Mafiaparagraf. Eingeführt, um die organisierte Kriminalität vom Format einer AlQuaida zu bekämpfen, scheint er nun zu einem Instrument gegen lästige NGOs geworden zu sein. Ein gefährliches Instrument, wenn es in die falschen Hände gerät. Die falschen Hände waren in diesem Fall die der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, einer skurril bis rechtslastig anmutenden Behörde, die unter Kolleginnen in ganz Österreich regelmäßig für Kopfschütteln sorgt. Die Aufarbeitung der Causa hat jedoch gerade erst begonnen. Das vorliegende Buch von Christof Mackinger und Birgit Pack beleuchtet den Prozess und seine politischen Hintergründe. Einerseits berichten Betroffene – unter ihnen der Herausgeber selbst – von ihren Erfahrungen u.a. in der U-Haft. Anhand von Akten und Gerichtsprotokollen wird der Prozess anschaulich dokumentiert. In einem zweiten Teil beleuchten Journalistinnen und Wissenschafterinnen den politischen Kontext der Repression, wobei auch auf die internationalen Entwicklungen eingegangen wird. In einem abschließenden dokumentarischen Teil finden Interessierte Texte, wie die Prozesserklärungen der Betroffenen und der Solidaritätsbewegung. Das im Mandelbaum erschienene Buch kann aber nur ein erster Schritt in Aufarbeitung eines der größten Polizeiskandale der 2. Republik sein. §278a. Gemeint sind wir alle!

 Christian Diabl ist Politikwissenschafter und Kulturaktivist in Linz und Wien

 

 

Christof Mackinger, Birgit Pack (Hg.),
Der Prozess gegen die Tierbefreiungsbewegung und seine Hintergründe,
Mandelbaum Verlag,
ISBN 978-3-85476-600-1, 380 Seiten,
EUR 19,90

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