von Vina Yun
„We all now wear a burqa, you don’t know who is who / If you want to meet your sister, it can be your uncle, too“. 2003 veröffentlichte ein Berliner Musiklabel die Debüt-Single der Burka Band: „Burka Blue“ sei nicht nur „Afghanistans erste Frauenpopband“, sondern auch „Kabuls Antwort auf die Spice Girls“. Nach ihrem Mini-Lo-Fi-Hit und einigen aufgeregten Medienberichten verschwand die Burka Band ebenso schnell von der Bildfläche, wie sie auftauchte – und entpuppte sich nachträglich als Hoax. Doch nun ist Schluss mit lustig. In Europa geht „eine regelrechte Prohibitionsekstase“ (Isolde Charim) um. Ende März beschloss das belgische Parlament einstimmig das Verbot des Ganzkörperschleiers für den gesamten öffentlichen Raum. Damit soll es Frauen, die z.B. eine „Boerka“ tragen, unmöglich gemacht werden, öffentliche Gebäude zu betreten, Geschäfte und Restaurants aufzusuchen, in den Park zu gehen oder mit Bus und Bahn zu fahren. „Die Burkaträgerin wird also im Namen der Freiheit dazu verdonnert, im Haus zu bleiben“, kommentierte die Chefredakteurin der deutschen „Tageszeitung“ die ansonsten eher rare Konsensfähigkeit innerhalb der belgischen Politik. Ähnliche Gesetze sollen auch in Frankreich und Spanien umgesetzt werden. Hierzulande machten – wenig verwunderlich – vor allem ÖVP, FPÖ und BZÖ mit Verbotsforderungen auf sich aufmerksam.
Auffällig ist, dass vor allem Männer bei der Verschleierung von Frauen mitbestimmen wollen. Während die einen die Frauen vor der Enthüllung „schützen“ wollen, würden ihnen die anderen den Schleier am liebsten sofort runterreißen. Zu letzteren gehören insbesondere Konservative und Rechtspopulisten, die es ansonsten nicht so genau nehmen mit Gleichstellung und Antidiskriminierung, sich nun aber als Paradefeministen aufführen: Es gehe um nichts weniger die „Gleichheit der Geschlechter“. Es ist wohl kein Zufall, dass mit der „Würde der Frau“ auch die Rückbesinnung auf die „europäische Identität“ gefordert und die Werte der eigenen „Nation“ hochgehalten werden.
Widerspruch zu den gegenwärtigen Politiken, die den kulturalisierenden Blick auf das Geschlechterverhältnis zementieren, kommt vor allem von Künstlerinnen, so zum Beispiel von Nezaket Ekici. In ihrer Videoperformance „Veiling and Reveiling“ von 2009 verdreht die türkischdeutsche Künstlerin höchst ironisch die Perspektiven: Stück für Stück legt sie Strapse, Stöckelschuhe und und Lippenstift über einen Tschador an – und entlarvt derart die klischierten Insignien westlicher Weiblichkeit als eigentliche Maskerade und Verschleierung.
Vina Yun, schon immer aus und in Wien, ist Redakteurin bei der feministischen Monatszeitschrift „an.schläge“ und beim Online-Magazin www.migrazine.at.