„Tausend Willkommen beim Freien Radio B138!” schmettert es der Besucherin auf der Homepage des Kirchdorfer Radios entgegen. Willkommen gefühlt haben sich auch die Radioaktivistinnen aus Linz, Freistadt und dem Salzkammergut, als sie vor gut drei Jahren anrückten, um – wieder einmal – über das Festival der Regionen die Saat für ein Freies Radio zu säen.
Ganz schnell stellte sich damals heraus, dass die Kirchdorferinnen praktisch nur darauf gewartet hatten, den Äther über der Bundesstraße 138 zu bespielen. Eine ganze Menge Leute stürzte sich sofort mit Feuereifer ins Radiomachen und in nullkommanix stand im „B138”, dem winzigen Veranstaltungslokal des Kulturvereins Klärwerk, ein Radiostudio, aus dem wöchentlich Sendungen an die drei anderen Radios geschickt wurden. Ein paar Monate und ein 24-Stunden-on Air-Festivalradioprojekt später hatte sich B138 als viertes Freies Radio in OÖ auch schon verselbstständigt und sendete erstmal via Webstream weiter.
Um die Euphorie aus dem Festival auszunutzen, beantragte der Verein B138 eine „Ausbildungslizenz”, die üblicherweise relativ unkompliziert für jeweils ein Jahr vergeben wird. Ende Oktober 2008 ging B138 mit einer Riesenparty wieder auf 90,4 MHz on Air – und alten Linzer Radiopionierinnen trieb es angesichts der Kremstaler Aufbruchstimmung Tränen der Nostalgie in die Augen.
Frequenzpoker
2009 stellte B138 einen Antrag auf eine langfristige Radiofrequenz. Allerdings kennt das Privatradiogesetz nach wie vor Begriffe wie „nichtkommerzieller Rundfunk” oder „Offener Zugang” nicht – es wurde ja auch für kommerzielle Privatradios geschaffen. Folgerichtig sieht das Gesetz für die langfristige Vergabe einer Frequenz eine potentielle technische Reichweite von mindestens 50.000 Personen vor – de facto, weil darunter ein kommerzieller Sender durch Werbeeinnahmen nicht finanzierbar ist. Die beantragte Frequenz hat aber nur eine Reichweite von 25.000; und die zuständige Behörde kam zu dem Schluss, dass in Kirchdorf auch keine „besonderen lokalen Bedürfnisse” vorliegen, u.a. weil Probleme wie „Arbeitslosigkeit, Geschäftsschließungen, Abwanderung, Verringerung des Kulturangebots nicht speziell für die[se] Region sondern wohl überall in ländlichen Gebieten in Österreich gleichermaßen gegeben sind”. B138 bekommt also keine langfristige Lizenz; und das Privatradiogesetz hat seine Untauglichkeit, tatsächlich Medien- und Meinungsvielfalt herzustellen, wieder einmal bewiesen: Das Gemeingut Rundfunkfrequenz dient in erster Linie als Kommerzinstrument.
Okay, dann also wieder eine Ausbildungslizenz – die wurde allerdings nur für ein halbes Jahr verlängert; und so ist derzeit völlig unklar, ob B138 ab Mai überhaupt weiter senden kann. Das tut dem Radiohype im Kremstal allerdings keinen Abbruch, mittlerweile gibt es an die 60 Radiomacherinnen: „Das Projekt wächst und gedeiht, den Leuten im Ort ist das ein Riesenanliegen und im Radio herrscht überhaupt keine Endzeitstimmung”, meint Elisabeth Neubacher vom B138-Vorstand. Gesendet wird nach wie vor aus dem „B138”, direkt an der Kreuzung Bundes- und Bahnhofstraße.
Haus 16A
Das Haus gegenüber ist jetzt der zweite Kommunikationstreffpunkt für die Kirchdorferinnen: das Radio-, Kultur- und Integrationshaus 16A. B138-Obmann Mike Schedlberger und Vorstandsmitglied Tanja Landerl haben das Haus 2009 privat gekauft und ein Jahr lang großzügig umgestaltet. Ende Jänner haben sie es der Öffentlichkeit übergeben: ein offenes Haus, das das Viertel um die Bahnhofstraße beleben und allen als Plattform dienen soll, ein Ort, wo einfach Sachen passieren können. Das Radio hat sein Büro ins 16A verlegt; außerdem gibt es eine Küche als Treffpunkt und im 1. Stock einen großen, vielfältig nutzbaren Raum: Der Integrationsbeirat von Kirchdorf hat sich eingemietet und veranstaltet Deutschkurse, serbische und bosnische Tanzgruppen proben hier, es gibt eine Frauen Teerunde für interkulturellen Austausch, Yogakurs und eine mehrsprachige Bücherei.
Im Mai wird B138 das Haus 16A (KUPF-Innovationstopf- gefördert) ein Monat lang mit verschiedensten Projekte bespielen, die sich mit der unmittelbaren Umgebung auseinandersetzen: eine mikrogeschichtliche Ausstellung über die Bahnhofstraße, Nachbarn präsentieren in der „Galerie 16A” zentrale Bilder aus ihren Wohnungen, und ein „80er Nostalgieabend” beschäftigt sich mit den damaligen Autobahngegnerinnen. Wenn die Behörde will, wird das alles dann auch on Air begleitet: „Wir sind ein junges Radio”, sagt Elisabeth, „mit so einer Aufbruchstimmung übersteht man auch solche Durststrecken gut!”
Radio B138: www.radio-b138.at“ Infos und Programm Haus 16A: www.radio-b138.at/haus-16a Rundfunkregulierungsbehörde KommAustria: www.rtr.at
Veronika Leiner ist derzeit Co-Geschäftsführerin von Radio FRO 105.0 MHz und arbeitet außerdem beim Kulturzeitschriftennetzwerk Eurozine