Sexuell arbeiten

Eine queere Perspektive auf Arbeit und prekäres Leben von Renate Lorenz und Brigitta Kuster hat Johanna Schaffer für Sie gelesen.

 

Macht entfaltet sich im Feld der Arbeit grundlegend über Begehren und Sexualität. Um zu untersuchen, wie das geschieht, erfinden Renate Lorenz und Brigitta Kuster den Begriff sexuelle Arbeit, um damit den Aufwand zu beschreiben, den es bedeutet, sich der Arbeit zu unterwerfen, um überhaupt als Subjekt zu entstehen und darin allerdings auch auf spezifische Weise mit Sexualität ausgestattet zu werden.

Arbeit wird hier zu einem Feld queer-feministischer Politiken, denn die Frage nach sexuellen Normen und deren Veruneindeutigung beim Arbeiten verbindet sexuelle und Geschlechter-Verhältnisse mit ökonomischen und Lohnarbeits-Verhältnissen. Dabei steht eine weitere Achse im Zentrum des Buches – und macht das Buch speziell interessant: sexuelle Arbeitsverhältnisse werden im Feld der Visualität und der Bilderproduktion aufgespannt und untersucht. Ein Anlass dazu sind zum Beispiel die äußerst queeren fotografischen Selbstinszenierungen der viktorianischen Hausangestellten Hannah Cullwick und ihres bürgerlichen Arbeitgebers und Lovers Arthur M. Munby.

Besonders interessiert haben mich die Gespräche in dem Buch: z. B. mit Jane Ward über Gender Labor und Femme Labor, bzw. darüber, wie Femmes als Partnerinnen von Transmännern an der Herstellung von Transmännlichkeit beteiligt sind. (»Femmeness lässt sich definieren als eine queere Verkörperungsform von weiblicher Femininität.« http://www.viniasteaparty.de/index_de.html) Dann ein Gespräch mit der Gruppe Precarias a la Deriva, die wissensproduzierende Streifgänge durch Madrid anzetteln, in denen immaterielle Arbeit ins Zentrum gestellt wird: Aff ektive Arbeit, Sexarbeit oder Aufmerksamkeitsarbeit als wesentlicher Grundlage des Kapitals. Ein Gespräch mit Antke Engel über Werbekampagnen, die mit Darstellungen lesbischer, schwuler und anderer nicht normentsprechender sexueller Lebensweisen arbeiten und diese zwar anerkennen, letztlich aber als Bewerbung neoliberaler Transformationsprozesse verwenden. Denn mit diesen Darstellungen nonkonformer Sexualität wird eine Ideologie der freien Gestaltbarkeit des eigenen Lebens bebildert, die im Kontext neoliberaler Transformationen als Grundlage dient, um gesellschaftliche Verantwortung in Eigenverantwortung zu übersetzen und Zustimmung zum Leistungsprinzip sowie zum Abbau sozialstaatlicher Absicherung zu erzeugen. Und schließlich: ein Gespräch mit Katerina Nédbalková darüber, wie sich inhaftierte Frauen eines Frauengefängnisses organisieren, und durch Aneignung und Resignifizierung von Räumen, Werten, Normen das Gefängnis de-totalisieren.

Johanna Schaffer forscht, lehrt und übersetzt zu queer-feministisch-antirassistischer Repräsentationskritik und ist im halben Beschäftigungsausmaß auf zwei Jahre als Assistentin an der Kunstuniversität Linz in der Abteilung Kunsttheorie, Kunstgeschichte / Gender Studies angestellt.

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