Flüsterlieder

Eugenie Kains eben erschienenen Erzählband hat Elisabeth Greif gelesen.

 

„Die Araber wissen, dass der Tod ein schwarzes Kamel ist, das niederkniet vor der Haustür, wenn es so weit ist. In den Heimen sprechen die Alten verstohlen vom Qui Qui, der sie abholen kommt. Wer hatte ihn mitgenommen? Ein rostiger Donauschlepper auf dem Weg zum Schwarzen Meer? Oder der Rabe, der seit einer Woche vor dem Fenster hockte?”

In leisen Tönen erzählt Eugenie Kain vom Tod eines Mannes und vom Zurückbleiben einer Frau. Episodenhaft reihen sich Bilder aneinander, die die Beziehung der beiden zueinander erahnen lassen, Bilder von vertrauten und fremden Gegenden, Momenten der Annäherung. “Einen Augenblick dachte sie, das wird nichts. Der kleinste gemeinsame Nenner ist zu gering. Wer die Nerven verlor, verlor den Geliebten.” Die Worte sind schlicht, die Begebenheiten alltäglich. Der unerwartete Tod des Mannes, den die Frau noch nicht begreifen kann, die vergebliche Suche nach einem passenden Foto für die Todesanzeige. Dazwischen immer wieder Spuren einer Begegnung. Gewohntes ist fremd geworden, Vergessenes taucht zwischen Schatten auf, löst sich für einige Augenblicke aus der Dunkelheit und ermöglicht ein Erinnern: “Der Menschenfisch fiel ihr ein, der mit den Wassern an die Oberfläche gespült wurde. Ein brennendes Sternenhemd legte sich auf seine rosa Haut.” Landschaften werden sichtbar, Orte, die der Mann und die Frau gemeinsam bereist haben.

Durch Fenster drängt sich Linz herein, die Stadt, in der sie lebten und in der die Frau mit dem Kind nach seinem Tod zurückbleibt. Die Personen bleiben namenlos, die Erzählung kreist um den Mann, die Frau und das Kind, an den Rändern lässt sich die Existenz anderer Menschen spüren. “Dem Kind musste sie es sagen. Und es gab Kinder von anderen Frauen, Geschwister und die Mutter.” Noch fehlen der Frau die Worte, um das Unfassbare auszusprechen. Die Lieder des Mannes, des Liedermachers, sein Lied an sie kann sie noch nicht hören, seine zurückgelassene Kleidung nicht berühren. Nur in der Erinnerung ist Begegnung möglich, sind Gedanken an jenes Spannungsfeld aus Fremdheit und Nähe möglich, das sie Liebe nennt. In der Stille, in Schmerz und der ihr fremd gewordenen Dunkelheit bleiben die Flüsterlieder ihres gemeinsamen Lebens. „Der Klang war bei ihr geblieben. Manchmal überlagerten ihn die Geräusche der täglichen Verpflichtungen. Aber er war da.“

Elisabeth Greif ist im Vorstand der KUPF, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rechtsgeschichte in Linz.

Eugenie Kain Flüsterlieder, Erzählung 130 Seiten, geb., ca. EUR 16,- Otto Müller Verlag ISBN 3-7012-1112-9, 2006

 

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