Und sche laungsaum wochs ma zaum …

In seinem Buch über Leute, die „genial dagegen“ sind, bilanziert Robert Misik „kritisches Denken von Marx bis Michael Moore“ – mit wenig Aussicht auf Erfolg.

 

von Andreas Orukambe

Globale Globalisierungsgegner, T-Shirts gegen den Krieg, Tute Bianche, Volxtheaterkarawane, Raisons d’agir, Che-Guevara-BHs, Attac. Es wurlt ganz schön in der gegenwärtigen Linken und der von ihr profitierenden Modebranche. Alles scheint in Bewegung zu sein, Robert Misik (Jg. 1966) beobachtet die Szenerie(n) mit viel Wohlwollen, ein bisschen Euphorie und subtiler Affirmation. Damit nicht genug, addiert der Wiener Publizist zur beweglichen Basis die von ihr angebeteten Götter (noch am Leben) und lässt alte linke Mythen (schon tot) Revue passieren. Da finden sich auf der einen Seite Antonio Negri & Michael Moore, Naomi Klein & Slavoj Zizek, Theater, Philosophie, Mode & Pop. Und auf der anderen die RAF, Brecht, Benjamin, Bronnen & Becher – und der gute alte Che. Robert Misiks Tenor: Die Linke, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zerstreut, parzelliert und bis zur Atomisierung aufgespaltet hat, wächst heute wieder zusammen, damit sie morgen wieder kraftvoll zubeißen kann. Sichtbarstes Signal seiner Behauptung: Protest ist hip!

Vor- und Nachteile Misiks Sprache ist erwartungsgemäß eine journalistische, schließlich verdient er seine Brötchen mit Schreibarbeiten für die taz, den Falter und das profil. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteil: Der Autor verschafft (sich) einen schnellen Überblick über breit angelegte, komplexe, pluralistische, bis zur Gegensätzlichkeit differente Szenen, ihre historischen Vorläufer und ihre zeitgenössischen Vorbilder. „Genial dagegen“ ist in einem flotten Ton geschrieben, man liest das Büchel zügig und ohne Verständnisschwierigkeiten. Nachteil: Misiks schnelle Auffassungsgabe paart sich mit ebenso schnellen Zuschreibungen, Verallgemeinerungen, Ahnungslosigkeiten, Denk- und Schreibfehlern.

So wird Pierre Bourdieu von Misik zum „Soziologie-Guru“ reduziert, Jacques Derrida zum, na?, „Dekonstruktions-Guru“. Antonio Negri kriegt als Attribut „Theorie-Star“, Slavoj Zizek immerhin „Popstar der Philosophie“. Tiefer gehts auch noch: Judith Holofernes nennt er stilsicher die „Frontfrau von Wir sind Helden“. Außerdem ist zu vermuten, dass das Lektorat schlief, als Robert Misik schrieb. Ein „Heiner-Müller-Lock-alike“ schaut vielleicht ihm ähnlich, aber sonst keinem. Die falsche Verwendung von Hilfsverben auch: „Gestanden hat“ heißt es, wenn jemand ein Geständnis ablegte – und bei den Deutschen. Auf Deutsch hingegen heißt es immer noch „gestanden ist“, wenn wer wo stand. Das unsterbliche Postulat der Neuen Frankfurter Schule „Die schärfsten Kritiker der Elche …“ wird a) von „waren früher selber welche“ in „sind in Wahrheit selber welche“ und b) zum „Schüttelreim“ umgedichtet. Und „dass sie einem mit einer … Rezeptur ausstatteten“ beteiligt sich an der, ansonsten bei Wiener Altfußballern beliebten, Aktion: Rettet dem Dativ!

die Welt als Versuchsanordnung So, das Pop-Kapitel lässt sich getrost überblättern. Und das Brecht-Bashing – Marke: Ich kann ihm intellektuell nicht folgen, aber moralisch bin ich ihm voraus – hätte er sich auch sparen können. Aber sonst ist „Genial dagegen“ ein pfiffig geschriebener Reader über die vielen virulenten Gegnerschaften zum kapitalistischen Status quo. Ein Querschnitt, der gar nicht erst den Versuch unternimmt, die einen gegen die anderen auszuspielen. Robert Misik nimmt dabei eine betont, um nicht zu sagen: aufdringlich undogmatische Position ein und wirft seine Blicke auf das subversive Bodenpersonal aus der Vogelperspektive, so weit will er sich wohltuend von verstaubten Konzepten der Altlinken abheben. Und am Ende erklärt uns Robert Misik die Welt als „Versuchsanordnung“. Na, bumsti! In solchen Momenten ist mir dann jungdumm um Welten sympathischer als altklug.

Andreas Orukambe

Robert Misik, Genial dagegen. Kritisches Denken von Marx bis Michael Moore, Aufbau-Verlag, 194 Seiten, ISBN 3-351-02586-6, 17,90 Euro.

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