Von dem Einen, das ohne dem Anderen nicht möglich wäre.

Andi Liebl spürt der Verschränkung des „Festival der Regionen“ mit lokalen Kulturinitiativen nach.

 

Unter der neuen Leitung durch Martin Fritz beginnt im Juni die siebte Auflage des im Zweijahrestakt stattfindenden Festival der Regionen in OÖ. Über kulturelle Großbaustellen wie die Expo 2000 in Hannover oder die europäische Kunstbiennale Manifesta 4. kam Martin Fritz in die Provinz – die er selbst nie wagen würde so zu nennen. Die Region abseits des Linzer Ballungsraumes besticht durch ihr dichtes Netz an Kulturinitiativen. „Alle 30 Kilometer Leute und Initiativen zu finden, die die Flagge der Kultur hochhalten, ist schon sehr verblüffend“, sagt Fritz über seinen ersten Eindruck in Oberösterreich, eine Tatsache, die auch dem heurigen Festival wieder ganz bestimmte Möglichkeiten eröffnet: „Wenn Projekte wie ein UFO in einem Ort landen, funktioniert das ja eher nicht!“.

Boden beackert
Und so profitiert das Festival von den Jahren der kontinuierlichen Kulturarbeit in den Regionen, denn der Boden ist beackert, die Leute interessiert und aufgeschlossen. Ohne diese Voraussetzungen scheint eine Arbeit wie z.B. von Anne Lorenz, dem inszenierten Ortsportrait in Aigen-Schlägl, schwer vorstellbar. In Zusammenarbeit mit ca. 150 BürgerInnen und zahlreichen Vereinen der beiden Nachbargemeinden entsteht über die Dauer von zwei Monaten Probenarbeit ein Ortsportrait der anderen Art. In Aigen-Schlägl findet sich im übrigen der Kulturverein KIKAS, der mit seiner Infrastruktur und seinen Kontakten zu der Bevölkerung eine dieser wichtigen Schnittstellen für das Festivalgeschehen darstellt. Involviert in besagtes Ortsportrait kümmert sich die KIKAS-Crew um eine Festivallounge, die in Kooperation mit FM4 die lokale Jugend- und Subkultur mit Diskussionen und Auftritten von Festivalgästen verbindet. Auch die Freien Radios FRO und Radio Freistadt docken bei KIKAS an, installieren in seinen Räumen ein temporäres offenes Sendestudio für ihr Eventfunkfrequenzprojekt „ErregerfrEUenCZen“. Was soviel bedeutet wie eine Ausdehnung des Festivals in den Äther und die Ausstrahlung eines Festivalprogramms in der Umgebung Ulrichsberg, Aigen, Rohrbach und der B127 entlang Richtung Linz. Durch die Kooperation mit tschechischen Redakteuren und Jugendgruppen wird an zweisprachigen Sen-deinhalten gearbeitet und die Wirkung der Festivalprojekte einer nachhaltigen grenzüberschreitenden Diskussion unterzogen.

Grenzüberschreitung und Impulse
Grenzüberschreitungen und Impulse in Richtung internationaler Vernetzung sind auch Erwartungen des Festivalvorstands an Martin Fritz, die sich angesichts der Programmierung des Festivals und auch laut Selbsteinschätzung „großartig“ erfüllen. Dass sich damit die OrganisatorInnen auch mit einem Mehr an Vermittlungs und Betreuungsarbeit konfrontierten war klar, umso erfreulicher nun, dass sich die Kontakte zwischen internationalen KünstlerInnen sowie Kunstgruppen und lokalem Umfeld schon im Vorfeld des Festivals als überaus befruchtend gestalten. Das setzt natürlich Gegenseitigkeit voraus, und das ist was Alois Fischer vom Jazzatelier Ulrichsberg schon bei den ersten Berührungen mit dem 2005er Festival überraschte. Anfang 2004 bei einer der Veranstaltungen im Rahmen des „Lokalaugenschein“, einer „gesprächsintensiven und diskussionsreichen Oberösterreichreise auf Raten“ der Festivalleitung mit dem Ziel das Festivalthema „Geordnete Verhältnisse“ zu präsentieren und den Dialog mit dem Umfeld zu beginnen, waren neben Interessierten OrtsbewohnerInnen auch Gemeinderäte anwesend und nahmen von Beginn an eine „eher ungewohnte“ positive Grundhaltung ein. Zu dieser Zeit war auch noch vieles unklar und „Reibepunkte und Konfliktpunkte werden wahrscheinlich erst auftauchen“, denkt Fischer, der für den Programmpunkt „Conducted Improvisation“ sorgt.

Interventionen und Installationen
Der amerikanische Jazzkomponist, -dirigent und -musiker Anthony Braxton erarbeitet mit 14 österreichischen MusikerInnen eine Komposition, die im Jazzatelier Ulrichsberg im Rahmen eines Konzerts am Eröffnungswochenende präsentiert wird. Von der äußeren Form her ein eher traditioneller Beitrag zum Festival, das sich 2005 verstärkt eventunabhängig und mehr in Richtung Ausstellungen, Projekte mit Leuten und Strukturen vor Ort, Interventionen und Installationen präsentiert. Auch der Beitrag von Ramiza Mehmedi & Jasmina Papa in Kooperation mit dem Frauentreffpunkt Rohrbach und dem Verein Ketani verdeutlichen das. Ein Romafrauenkongress rückt das Leben der Romafrauen und den Austausch zwischen Frauengruppen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. „Ein Beispiel für das Eine, das es ohne dem Anderen nicht geben würde“, meint dazu Martin Fritz, „So ein Projekt wäre für mich ohne Frauentreffpunkt sonst nur in urbanem oder universitärem Umfeld denkbar gewesen.“

Womit abschließend auch ein mit Kopfschütteln kommentierter Ausspruch des neuen Festivalleiters nicht ungenannt bleiben darf. Angesprochen auf die finanziellen Rahmenbedingungen Oberösterreichischer Kulturvereine meint dieser: „Wegen der angespannten Lage der kommunalen Finanzen ist in den Gemeindebugdets kaum etwas zu finden. So kann die Wichtigkeit lokaler Kulturinitiativen von den Gemeinden kaum gewürdigt werden.“ Nichtsdestotrotz: Über die Verteilung kommunaler Mittel entscheidet immer noch der Gemeinderat.
Das Festival der Regionen 2005 startet am 18. Juni an verschiedenen Schauplätzen, die mit einem Postbus-Shuttle miteinander verbunden sind.

Andi Liebl

http://www.fdr.at

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