Muttertag

Hanna Schatz blickt auf die Gschichte eines seltsamen Feiertages.

 

„Wir wären nie gewaschen, und meistens nicht gekämmt, die Strümpfe hätten Löcher und schmutzig wär` das Hemd…“

Zum Glück gibt es eine, die das verhindert, deren Aufgabe es ist, sich um die Wäsche von Kind und Kleidung zu kümmern. Das feiern wir in Österreich seit den 1920er Jahren jeden 2. Sonntag im Mai. Der Ursprung des Muttertages in seiner heutigen Gestalt liegt in den USA. Anfang des 20. Jahrhunderts begann die amerikanische Methodistenpredigerstochter Anna Jarvis ihren Kreuzzug für einen offiziell zu feiernden „mother’s day“. Anlässlich des Todestages ihrer eigenen Mutter begann Jarvis 1906 mit der Organisation von „Memorial Mother’s Day Meetings“ deren Sinn im Gedenken an verstorbene und der Ehrung lebender Mütter liegen sollte. Diese Feiern wiederholten sich jährlich in immer mehr amerikanischen Gemeinden, sodass der Muttertag 1910 bereits in 45 Bundesstaaten gefeiert und 1912 von der Methodist Episcopal Church offiziell zum kirchlichen Feiertag erhoben wurde. Nachdem der Muttertag 1914 unter Präsident Wilson zum Amerikanischen Staatsfeiertag erklärt wurde, verbreitete er sich auch in Europa, wo er sich bis heute größter Beliebtheit erfreut. (Literatur: Boesch/Bolognese-Leuchtenmüller/Knack, Produkt Muttertag. Zur rituellen Inszenierung eines Festtages (2001))

Mutti ist die Beste Aus kommerzieller Sicht durchaus nachvollziehbar. Schon in seinen Ursprungszeiten zierten Wochen vor dem großen Ehrentag aller amerikanischen Mütter Werbetafeln die Straßen und Anzeigen die Zeitschriften. Auch in Europa war in den 1920er Jahren einer der wichtigsten Protagonisten des Muttertages der Vorsitzende des „Verbandes Deutscher Blumengeschäftsinhaber“, Rudolf Knauer, der unter dem Titel „Der Deutsche Muttertag“ eine 80-seitige Hommage auf den neuen Festtag verfasste. Dass der Muttertag bis heute für florierende Umsätze nicht nur im Blumenhandel sorgt, lassen bereits diverse Werbeträger vermuten, die uns seit Wochen darauf hinweisen, dass „Mutti die Beste ist“ und wir daher ein Präsent „für Mutti“ zu erstehen haben. Eine im April 2004 durchgeführte Umfrage bestätigt diese Vermutung und besagt, dass ÖsterreicherInnen rund 134 Millionen Euro für Muttertagsgeschenke ausgeben (im Jahr 2003 wären es 120 Millionen Euro gewesen), wobei – Rudolf Knauer würde sich freuen – Blumen nach wie vor als beliebtestes Geschenk genannt wurden. (http://www.kmuforschung.ac.at)

„… Wir äßen Fisch mit Honig und Blumenkohl mit Zimt, wenn du nicht täglich sorgtest, dass alles klappt und stimmt. …“

Viel weniger nachvollziehbar sollte die anhaltende Beliebtheit des Muttertages angesichts seiner inhaltlichen Aussage sein, wie sie folgendes Muttertagsgedicht wunderbar auf den Punkt bringt: „Mutter hat nun ihre Sorgen… Vater geht schon früh am Morgen, wie gewohnt zur Arbeit fort. Mutter hat nun ihre Sorgen, darum folge ihr aufs Wort! Sie muss kochen, waschen, flicken, nähen, putzen, für dich stricken: ihre nimmermüden Hände schaffen emsig ohne Ende“ (Muttertagsgedicht gefunden unter: http:// members.eunet.at/speaker/texte/muttert.htm). An diesem Tag feiern wir seit beinahe 100 Jahren ein Geschlechterrollenverständnis, gegen das sich noch viel länger weltweit Generationen von Frauen zur Wehr setzen. Hausfrau und Mutter sein. Mutterschaft – wenn schon nicht alleinige – so doch Hauptaufgabe, sinngebende und glückbringende Aufgabe der Frau.

„… Und trotzdem sind wir alle auch manchmal eine Last – was wärst du ohne Kinder? Sei froh, dass du uns hast!!!“ (Auszug aus einem ? spätestens seit Sicheritzfilm ? weit verbreitetem Muttertagsgedicht)

Hanna Schatz

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