5 Fragen an … Jaqueline Scheiber
Inwiefern berühren sich soziale Herkunft / Klassenzugehörigkeit und Kunst bei dir?
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Kunst und Kultur keine Rolle gespielt haben oder nicht spielen konnten. Zugang zu Kunst braucht nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch zeitliche und emotionale Kapazität. Meine alleinerziehende Mutter jonglierte mehrere Jobs und versuchte währenddessen, meine Betreuung zu organisieren. Selbst wenn wir uns Museumsbesuche leisten hätten können, wurde die geringe Freizeit meist gemeinsam vor dem Fernseher oder mit einem Kinobesuch genutzt. Daher hat mich erst im Jugendalter das Internet der Kunst nähergebracht. Plattformen wie Tumblr verbreiteten Fotografien und Malereien von Künstlerinnen, daran habe ich Interesse gefunden.
Wo fällt dir Klassismus im Kulturbetrieb am stärksten auf?
In den unausgesprochenen Umgangsformen und Vorschriften. Als ich die Kunstwelt als Autorin betrat und z. B. eine Ausstellung lyrisch begleitete, wurde ich zu Eröffnungen und Vernissagen eingeladen. Es sind exklusive Kreise, die nur durch einzelne, offene Akteur*innen aufgebrochen werden. Ansonsten stand ich oft stumm in einem Raum und habe nicht verstanden, wieso ich mich darin so falsch fühle.
Was stört dich am Klassendiskurs?
Er ist defizitär orientiert. Stets wird herausgestrichen, woran es mangelt, dabei hat jede*r Mensch unabhängig von Schichtzugehörigkeit eine Bandbreite an Kompetenzen. Die Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit hat z. B. den Ansatz, Menschen als Expert*innen ihrer Lebenswelt anzuerkennen. Das führt dazu, dass man nicht über jemanden spricht, sondern miteinander.
Sprichst / schreibst du über Geld?
Ja, es ist mir ein Anliegen, dieses Tabu zu brechen. Bei uns wurde immer viel über Geld gesprochen. Auch darüber, dass keines da war. Es hat mich in meiner Studienzeit sehr verwundert, wie undurchsichtig mit diesem Thema umgegangen wird. Ich versuche, öffentlich wie privat Geld ganz natürlich in meine Gespräche mit einfließen zu lassen.
Was braucht es, um Klassenverhältnisse zu überwinden?
Glück. Die ein oder andere Person, die dir einen Vertrauensvorschuss gibt oder an dich glaubt. Förderung. Die Gegenfrage dazu ist womöglich auch: Muss jede*r die eigene Klasse überwinden, um als erfolgreich zu gelten? Das lasse ich so stehen.