Mit Naomi Klein’s „No Logo“ hat sich Günther Hopfgartner beschäftigt.
Vor wenigen Wochen wurden der „Antiglobalisierungs“ – Aktivistin und Publizistin Naomi Klein höhere Weihen zuteil.Nachdem ihr Buch „No Logo“ bereits seit geraumer Zeit zum Standardwerk der sogenannten „Seattle-Bewegung“ und in der Folge auch zu einem wichtigen Bezugspunkt für die mediale Aufbereitung der Bewegung avanciert war, sah sich die neoliberale Bibel, die Londoner Wochenzeitung „Economist“, bemüßigt ihre Argumente in einer Coverstory zu widerlegen. Aufgemacht war dieses Heft mit einer „Bearbeitung“ von Kleins berühmtem Buch-Cover in der Art der in No Logo abgefeierten ‚Culture Jammer‘.
Auf dem Economist-Titelbild prangte nun die Feststellung „Pro Logo“. Ein programmatischer Titel, ging es den Autoren in ihrem Beitrag doch um den Nachweis, dass Markenpflege nicht nur betriebswirtschaftlich notwendig, sondern geradezu ethisch geboten sei, weil nämlich die KonsumentInnenmacht stärkend und damit ein neues soziales und ökonomisches Regulationsregime konstituierend, in dem die kritischen KonsumentInnen über die Einhaltung von sozialen, arbeitsrechtlichen und ökologischen Standards wachen – vermittelt über ihre Kaufentscheidung.
Natürlich ist die Argumentation des Economist recht einfach zu widerlegen, diese Rand-Episode in der Geschichte der „Antiglobalisierungs“-Bewegung somit nicht weiter von Bedeutung. Sie belegt aber doch die Relevanz, die Kleins Buch mittlerweile im politischen und medialen Diskurs errungen hat.
Liest man diverse linke Kritiken an No Logo, dann scheint das angesichts der dort aufgelisteten Irrtümer und Versäumnisse kaum verständlich. Tatsächlich verweisen allerdings die meisten Tiraden gegen Klein vor allem auf die Defizite und Irrtümer der RezensentInnen. Etwa der Versuch No Logo als theoretische Grundlegung der „Antiglobalisierungs“-Bewegung zu lesen. Recht eigentlich ist Kleins Buch eine altbackene Reportage im besten Sinne (vgl. Egon Erwin Kisch …). Ausgehend von einer Detailbeobachtung – zahlreichen aufgelassenen und in „Drittwelt“-Staaten ausgelagerte Textilproduktionsstätten – recherchiert sie sich an das Verallgemeinerbare ran – Arbeitsbedingungen in der globalisierten Textilindustrie als Beispiel für globale kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse – und schließt dies wiederum fast klassisch marxistisch (Basis/Überbau-mäßig) kurz mit Kulturstudien. Branding beeinflusst über den Kurzschluss Lifestyle-Konsum nicht nur die Kaufentscheidung der KonsumentInnen, sondern weitgehend auch die Populärkultur insgesamt. Darüberhinaus beschreibt sie recht anschaulich die zwischen Affirmation und kreativem Widerstand oszillierenden Konsumstrategien jener Generation, die auch weitgehend die Seattle-Bewegung trägt.
Kleins Anbindung von – an poststrukturalistischen Theorien geschärften – akademischen Identitätspolitiken an soziale Kämpfe vermittelt zudem einen Eindruck vom theoretisch und praktisch schillernden Wesen der sogenannten „Antiglobalisierungs-Bewegung“. Dass diesbezüglich auch manche Auslassungen, Übertreibungen oder auch theoretische Schwächen erkennbar werden – etwa die Tatsache, dass Klein fast nur AktivistInnen/KonsumentInnen und deren Praxis aus dem angelsächsischen Bereich in den Blick kommen – ist dem Lesevergnügen dagegen nicht weiter abträglich. Wer’s jedenfalls auch unterhalb eines neuen Kommunistischen Manifests tut – bzw. liest -, dem sei Kleins Buch in der englischen Ausgabe (sprachlich nicht so verstaubt und moralisch empört wie die deutsche Übersetzung) empfohlen.
Günther Hopfgartner