Fischgesang

Ein Gespräch ohne Lösungsansätze über Wertschätzung, Ziele, Kulturausschüsse, und die Frage der Ethik. Vertreter der regionalen Vernetzungen aus Steyr und Wels im Gespräch: Stefan Haslinger (Waschaecht Wels), Ralf Drack (kv infoladen wels), Mike Glück (Kulturhaus Röd@ – Steyr) und Helmut Schönleitner (AKKU – Steyr)

 

von Stefan Haslinger

Stefan: In Wels haben wir im Zuge der Treffen zur Gründung der Arge Kulturplattform festgestellt, dass die Kommunikation zwischen den Vereinen beinahe nicht gegeben war. Es gab zwar Berührungspunkte zwischen Waschaecht und Programmkino, mit dem Infoladen partielle Zusammenarbeit. Im Zuge der Arge Kulturplattform sind Kontakte vertieft oder überhaupt einmal aufgebaut worden. Wie hat die Zusammenarbeit in Steyr vor den Vernetzungstreffen ausgesehen?

Mike: So krass wie bei euch war das sicher nicht. Wir haben ganz genau gewusst wer wer ist. Das AKKU hat die Theaterschiene betreut und veranstaltet jetzt populäre improvisierte Musik, bei uns kommt es aus dem Punk-Rock’n’Roll, das war immer klar.

Stefan: Das heisst, bei Euch ist der Zusammenschluss auch daraus entstanden, weil erkannt worden ist, dass die Notwendigkeit da ist. Es hat die Regierungsbildung gegeben, es gibt genug Arbeit innerhalb der Kommune, um Arbeits- und Rahmenbedingungen für freie Kulturarbeit zu verbessern, und diese Arbeit muss gemeinsam geschehen.

Helmut: Es hat schon in der Vergangenheit Versuche gegeben, die Kräfte zu konzentrieren, aber das hat nichts gebracht. Dieser Impuls durch den Regierungswechsel war ein Zeichen, dass etwas geschehen muss. Es war ein ausschlaggebendes Zeichen.

Stefan: Welche Versuche hat es vorher gegeben? Gab es auch strukturierte Vernetzungen?

Helmut: Das letzte, das auf breiterer Basis geführt wurde war eigentlich diese ZuMUTungen-Diskussion.

Mike: Eines ist klar: Was wir jetzt machen ist ein Versuch. Wir haben die ersten Schritte gemacht, wir haben auch die ersten Enttäuschungen eingesteckt. Es sind jetzt de facto schon weniger Leute bei den Treffen als vorher, das war zu erwarten. Wir versuchen jetzt interessierte Leute heranzuziehen. Es hat sicher keinen Sinn, wenn am Schluss nurmehr Helmut und ich da sitzen, dann können wir auch gleich aufhören.

Helmut: Ich will dieses Szenario nicht heraufbeschwören. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass in der freien Kulturarbeit neue Ziele verfolgt werden, die nur schwer systematisierbar sind. Es bestünde ja auch die Möglichkeit, dass das AKKU institutionalisiert wird, aber dagegen wehre ich mich. Dann geht die Freiheit und die Möglichkeiten, die durch diese Freiheit gewonnen werden, verloren.

Stefan: In Wels hat es auch früher Versuche der Vernetzung gegeben. Das waren einerseits aufgesetzte Sachen der Stadt Wels – die sogenannten Kulturgespräche – und das andere waren die ZuMUTungen, die aber nur kurzzeitig wieder zu einer Vernetzung der KUPF-Vereine in Wels geführt haben. Der Kulturstadtrat hat damals versprochen, dass es ein Kulturkonzept der Stadt Wels geben wird. Das Konzept gibt es bis heute – unseres Wissens – nicht. Das einzige was geschehen ist, ist, dass interne Förderkriterien erstellt wurden, die aber wie der Name schon sagt, interne Leitlinien sind, also keineswegs transparent. Der Plan damals war hochtrabend, so etwas wie den Linzer Kulturentwicklungsplan für Wels zu erarbeiten. Es ist nie passiert. Es gibt kein kulturelles Konzept dieser Stadt.

Helmut: Kann es das überhaupt geben, in der Situation in der die Politik jetzt steckt, in dieser Kurzlebigkeit? Ich frage mich, ob das nicht nur ein Wunschtraum auch vonseiten der PolitikerInnen ist. Das ist eine komische Situation, dass die Politik jetzt überhaupt anfängt Kunst oder Kultur, speziell zeitgemässe, damit zu kontrollieren. Allem, was ihnen nicht passt, drehen sie den Geldhahn zu.

Stefan: Was ich ja mit einem Kulturkonzept meine ist, dass sich Wels eine Kulturstadt rühmt, dass aber die Kultur, die von Seiten der Stadt initiiert wird, nur in Richtung Event geht, also ziemlich aufgeblasen ist. Es ist für mich eine der Zielsetzungen der Arge Kulturplattform, dass eine breite Basisvernetzung dieses kulturelle Konzept einfordert bzw. daran mitarbeitet.

Helmut: Die Schwierigkeit, die ich sehe, sind halt diese Widersprüche. Es ist ja sehr seriös und sehr ehrenhaft, was wir da jetzt betreiben. Andererseits ist es so, dass die öffentlich betriebene Kulturpolitik nur mehr darauf bedacht ist, einen oberflächlichen Glanz zur Erhaltung von WählerInnenstimmen und Machtkonstrukten zu kreieren. Diejenigen, die freie Kulturarbeit machen oder unterstützen, sind ja nicht zuordenbar. Aus diesem Grund wollen sie diese auch nicht fördern, denn das sind ja dann die, die Demonstrationen organisieren. Und diese Machtfratze der Politik zeigt sich jetzt ganz deutlich. Die Frage stellt sich, inwieweit wir uns verändern müssen, um etwas zu bewegen. Der Weg den wir jetzt beschreiten ist jener der Vergangenheit, der in den 70ern und 80ern ganz o.k. war. Die grosse Aufgabe ist es wohl, Wege zu finden, unsere Ziele zu erreichen.

Mike: Es werden auch bei uns Kulturentwicklungskonzepte und Förderrichtlinien diskutiert. Im Endeffekt geht es natürlich auch darum, durch eine interne Stärkung gegen politische Willkür gefeit zu sein.

Stefan: Aber da liegt doch ein Problem, dass, auch wenn ich intern gestärkt bin, ich für meine Anliegen Öffentlichkeit brauche, um diese Anliegen zu transportieren. Ich glaube, dass das immer eine der Schwächen der freien Szene war, dieses vielzitierte „Braten im eigenen Saft“.

Helmut: Was da offensichtlich wird, ist dass sich viele Dinge, gerade was die freie Kulturarbeit betrifft verändert haben. Auf der einen Seite sind wir inhaltlich auf einem sehr guten Weg. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass es schwieriger wird die Menschen zu erreichen. Die Aufgabe für uns ist eine andere Form der Öffentlichkeit zu finden. Mir gefällt der Ansatz von Wels so eine Art Pamphlet für Kunst und Kultur zu machen, eben für die Leute. Das haben wir in Steyr nicht gemacht, wäre den Menschen aber wahrscheinlich auch egal.

Stefan: Aber hier gilt es doch anzusetzen, und die Ziele zu definieren. Ihr habt ja in Steyr auch schon mit einer Art Forderungskatalog gearbeitet.

Mike: Wir haben ein Treffen gehabt wo die Abgeordneten des Kulturausschusses dabei waren. Von unserer Seite ist massiv herausgekommen, dass alle AktivistInnen darauf hingewiesen haben, dass es keine Wertschätzung für unsere Arbeit gibt. Und das macht es ja so schwer, wenn du merkst, du bist eigentlich nur geduldet bzw. lästig. Die anwesenden PolitikerInnen haben aufgrund dieser Aussage ziemlich entsetzt und betroffen reagiert und sie finden das ja so arg und schlimm und blablabla. Das ist z.B. so ein Punkt, wo man auf jeden Fall nachhaken muss. Leider ist es halt so, dass der Kulturausschuss völlig machtlos ist. Wir haben ihnen vorgeschlagen, Förderrichtlinien zu entwickeln und dass sie anfangen sollen sich als Lobby für die freie Szene zu verstehen. In diesen Punkten werden wir auch weiter arbeiten.

Stefan: Es geht quasi dann auch in weiterer Folge um die Öffnung der Kulturausschüsse.

Helmut: Ja sicher, wobei ich glaube, dass wir aufpassen müssen, uns nicht zu sehr in Sentimentalitäten zu verlieren. Andererseits brauchen wir gerade diese Sentimentalitäten, um weiterzumachen. Wir müssen unseren Platz neu finden, vielleicht in der Ethik des ganzen Systems.

Stefan: Wir in der Arge Kulturplattform haben das als die Rückeroberung und Neubesetzung des öffentlichen Raums bezeichnet.

Ralf: Dieses Problem, Öffentlichkeit zu erreichen, Plätze neu zu definieren, ist eine wichtige Frage. Über die Rückeroberung des öffentlichen Raums erreicht man die Öffentlichkeit. Wir müssen in Interaktion treten mit den Leuten auf der Strasse, um auch den Stellenwert unserer Arbeit im Bewusstein der Leute zu erlangen.

Helmut: Ich glaube, dass das ganz wichtig ist. Ich glaube auch dass diese regionalen Vernetzungen sehr wichtig sind. Unser Problem ist, dass wir alle irgendwelche Scheinkonstrukte haben. Unsere Organisationsformen funktionieren irgendwie und sind sehr flexibel, was auch notwendig ist. Aber es stellt sich heraus, dass in dieser Zeit diese Konstrukte fast keine Chance mehr haben. Ich glaube, dass unsere Vereine keine wirkliche Lebensbasis haben. Wir haben organisatorisch keine Substanz, und die Basis auf die diese Konstrukte aufgebaut sind, ist „Kultur ins Volk zu bringen“.

Stefan: Ich glaube, um diese Konstrukte zu brechen und unseren Ansprüchen gerecht zu werden, müssten wir radikaler werden. Aber was sind die adäquaten Mittel und Wege die wir gehen sollen, um an der Verwirklichung der Ziele zu arbeiten?

Helmut: Wir müssen an unseren „Scheinkonstrukten“ arbeiten, um diese auf eine gesicherte Basis zu stellen. Ich glaube dass diese ganze Diskussion über Objektivierung der Förderkriterien usw. ganz stark die eigene Positionierung beinhaltet. Jetzt – im Zuge dieser politischen Umstände – ist das aufgewühlt worden, etwas das geschlummert hat. Die Situation, vor der wir jetzt stehen, ist ja nicht neu. Jetzt ist aber Handlungsbedarf da. Die Frage, die wir doch klären müssen ist, was wollen die Mächtigen von uns – warum fördern sie uns?

Mike: Feigenblatt. Als etwas anderes würde ich das nie sehen. Und dann kommt sicher noch das Ruhigstellen dazu.

Helmut: Aber könnte es nicht gerade durch diese Vernetzungen passieren, dass zumindest so etwas wie eine Ethik in das Ganze hineinkommt? Dass die Politik einmal gezwungen wird, eine Grundposition zu beziehen. Ich arbeite für kulturelle Eigenständigkeit – das ist eines meiner Schlagworte.

Stefan: Das mit der Ethik finde ich insofern spannend, weil wir hier den Umkehrschluss wieder auf die Wertschätzung hätten, und ich glaube für mich ist das Ziel dann erreicht, wenn ich weiss, es gibt die Wertschätzung und die Wahrnehmung unserer Arbeit.

Mike: Aber hier müssen wir aufpassen, weil es – aufgrund der Wertschätzung die wir erreicht haben – passieren kann, dass wir dann mit aufrechtem Kopf einer winzigen Minderheit angehören.

Helmut: Ich glaube wir müssen es schaffen aus dieser klagenden Weinerlichkeit herauszukommen und unseren „Forscherstatus“ wieder mehr in den Vordergrund rücken.

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