Gerne gelesen

Was die KUPFredaktion an Literatur verschenken würde oder auch nicht

 

David Guttner »Reisestücke« von Stephan Hofstätter Ein viel gereister Reisender litt unter einer schwer paradoxen Krankheit, nämlich der Reiseangst.

So beginnt eine der dreißig Kurzgeschichten und Notizen imaginärer oder tatsächlich stattgefundener Reiseimpressionen des Wiener Autors Stephan Hofstätter. So oder ähnlich beginnen auch die restlichen Neunundzwanzig. In einer knappen, unsentimalen, manchmal an verstaubte Amtsstuben erinnernden Sprache verfasst, zutzeln sie aus scheinbar Banalem Absurdes bis Berührendes. Hofstätter beherrscht es, seine Sätze lustvoll zu verschachteln, nicht selten ist ein atz auch eine Geschichte. Die Leichtigkeit, mit der er dies geschehen zu lassen scheint, ist beeindruckend und erfrischend. »Deshalb plädiere ich fürs Stillhalten und Stummbleiben. «, schreibt Stephan Hoftstätter am Ende eines seiner »Reisestücke«. Was ein Grund dafür sein mag, dass die »Reisestücke« bislang nicht veröffentlicht wurden. Ich verfüge nur über ein Manuskript, kann aber auf Wunsch gerne Kontakt zum Autor herstellen. Da das ein mir zwar wichtiger, aber zugegebenermaßen nur sehr eingeschränkt praktikabler Lesetipp ist, mein Alternativvorschlag:

»Das Buch der von Neil Young Getöteten« von Navid Kermani. Ein stilles, präzises, tröstendes Buch. Speziell für Jungeltern geeignet, insbesondere Erstväter, und nicht nur für Neil- Young-Apologeten. Da Stephan Hofstätter nach der kürzlich stattgefundenen Geburt einer ersten Tochter zu beidem gezählt werden kann, wird dieses Buch auch mein heuriges Weihnachtsgeschenk für ihn sein.

Navid Kermani »Das Buch der von Neil Young Getöteten« Ammann Verlag / 176 Seiten / € 17,90 ————————————————————

Stefan Haslinger »Gattin aus Holzabfällen« von Max Goldt

Irgendwie seltsam. Es liegt in der Hand wie eins dieser unsäglichen Coffee- Table-Books, gewichtig und zum Imponieren gedacht. Aber Herr Goldt ist eben Herr Goldt. Nachdem er sich zuletzt stark auf die Comicproduktion mit Herrn Katz verlegt hat (auch zu empfehlen, auch heuer erschienen: »Unglück mit allerlei Toten«), hat er nun in Buchform herausgebracht, was geübte Goldt-Leserinnen bislang als Einsprengsel seiner Bücher kannten. Max Goldt hat Texte zu Bildern verfasst, teilweise Found-Footage-Material, teilweise eigene Fotografien. Die Texte haben zumeist keinen Bezug zum Bild, sind aber auch nicht bloße Dekoration. Sie arbeiten mit den Bildern und interagieren auf unnachahmliche Weise. Eine seltsame, stille Art von Humor schleicht durch das Buch, die sich den geneigten Leserinnen wohl erst nach mehrmaliger Lektüre und Betrachtung erschließt. Ein nachhaltiges Werk fürwahr.

Max Goldt »Gattin aus Holzabfällen: Mit Text versehene Bilder« Rowohlt Berlin / 128 Seiten / € 19,- ————————————————————

Eva Immervoll »Die Frau ist nicht der Rede wert«: Aufsätze, Reden und Glossen Es ist 1999 das erste Mal erschienen, beschäftigt sich mit feministischer Sprachkritik und ist eine Freude zu lesen: eine der vielen Glossensammlungen von der prominentesten feministischen Sprachwissenschaftlerin im deutschsprachigen Raum, Luise F. Pusch. Hier erhalten wir einen tiefen Einblick in die tiefschwarzen Abgründe unserer Sprache. Mit bestechendem Sachverstand führt Frau Pusch uns dort hinunter und zeigt gleichzeitig die verlockenden Möglichkeiten einer wahrhaft weiblichen Sprache. »Das Maskulinum ist nicht mehr das was es einmal war. Aber Herrenkultur und Herrensprache sind keineswegs überwunden. Deswegen nervt frau zügig weiter.« Ab unter den Christbaum – denn diese Frau ist der Rede wert!

Luise F. Pusch Die Frau ist nicht der Rede wert: Aufsätze, Reden und Glossen Suhrkamp Taschenbuch / 214 Seiten / € 7,50 ————————————————————

Pamela Neuwirth »Train Dreams« von Denis Johnson

Der Autor beschreibt auf 110 Seiten ein ganzes Leben. Erzählt wird in dem der Novelle gemäßen zurückhaltenden und nüchternen Berichtstil. Zu Beginn hilft der Held aus einem grausamen Instinkt heraus beinahe dabei, einen chinesischen Dieb zu töten. Nachdem dieser entkommen konnte, wundert er sich weniger über seine Tat, als dass er sich über dessen Flüche ärgert, von denen er sich daraufhin sein Leben lang verfolgt glaubt. Train Dreams beschreibt eine Welt in der Zivilisation und Aufklärung noch mit den Mächten der Natur und geheimnisvollen Kreaturen ringen. Am modernen Zeitgeist scheitern die spirituellen Bedürfnisse nach Visionen, Halluzinationen und Träume. »(…)Vielleicht war es diese Erkenntnis, gerade jetzt, in der Dunkelheit nach seinem Alptraum, die Gladys in Geistergestalt zu ihm kommen ließ. Schon viele Minuten bevor sie sich zeigte, spürte er, wie sie sich durch den Raum bewegte. Er nahm ihre Anwesenheit so deutlich wahr, wie er die Umrisse einer plötzlich im Fensterlicht stehenden Person gesehen hätte, selbst mit geschlossenen Augen. Er legte seine rechte Hand auf den kleinen Hund, der neben ihm ausgestreckt lag. Der Hund bellte und knurrte nicht, doch Grainier spürte, wie das Fell auf seinem Rücken …«

Denis Johnson »Train Dreams« Rororo / 112 Seiten / € 8,95 ————————————————————

Riki Müllegger »Der Silberlöffel« Der Silberlöffel ist »das« italienische Kochbuch, das jeder kochende Mensch besitzen sollte. Mehr als 2000 Rezepte auf über 1200 Seiten. Die Bandbreite reicht dabei von einfachen Antipasti- und Nudelrezepten bis zu raffinierten Menüvorschlägen. Als Weihnachtsgeschenk eignet sich dieses wunderbare Rezeptbuch ganz besonders, wenn es für Personen gedacht ist, die im selben Haushalt leben. Man hat ein schönes Geschenk, das aufgrund seiner Größe und seines Gewichts auch haptisch was her macht und unter dem Christbaum gut ausschaut (Vorausgesetzt natürlich man verwendet zum einpacken ein schickes Geschenkspapier und nicht den Standard vom 24. Dezember). Dieses Buch ist aber nicht nur ein Geschenk für die Beschenkte sonder auch für alle Mitbewohnerinnen. Denn selbst wenn, man wider erwarten nicht nach diesen wunderbaren Rezepten bekocht wird, das Kochbuch bereitet jedenfalls auch viel Freude wenn man selber danach kocht.

»Der Silberlöffel« Phaidon, Berlin / 1264 Seiten / € 39,95 ————————————————————

Klemens Pilsl Der KUPF´sche Auftrag, gefälligst eine Rezension über ein Buch zu verfassen, dass man Leserinnen als potentielles Weihnachtsgeschenk anraten möchte, macht mir zwei Dinge klar: Weihnachten ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um jemandem etwas zu schenken. Zu Weihnachten vögelt nämlich das System »Christen« mit dem System »Konsumkapitalismus«, und bloß weil wir uns mit Wintereinbruch vielleicht underfucked fühlen, müssen wir das nicht unterstützen. Und andererseits werden Bücher ohnehin überschätzt. RTL2 ist nämlich nicht minder erfreulich: ich sehe etwa zur Zeit eine Reality Show, in der unglaublich fette deutsche Kinder zu unglaublich dürren afrikanischen Stammes-Menschen geflogen werden, um »wieder ein Gefühl« für gesunde Ernährung zu bekommen. Der angebliche Steinzeit-Jäger lacht sich beim fassungslosen Erstkontakt halbtot: »Ich habe noch nie so riesige Menschen gesehen. « Da kann kein Alastair Reynolds und auch kein Richard Morgan mithalten. Nicht einmal dem Heinz Strunk fiele so was ein! ————————————————————

Gerlinde Schmierer »Das Wetter vor 15 Jahren« von Wolf Haas Literaturbeilage: Autoren beklagen sich ja oft bitter darüber, dass in der Zeitung schon vorab die ganze Handlung verraten wird. Wolf Haas: Deshalb schreib ich keine Krimis mehr. Da stört es ein bisschen, wenn man schon vorher alles weiß. Aber bei normalen Büchern sehe ich es eher als Hilfe. Als Teamarbeit. Klappentext und Kritiker erzählen vorab die Geschichte, und als Autor kann man sich auf das Kleingedruckte konzentrieren. Und was macht Wolf Haas, wenn er keine Krimis mehr schreibt? – Er guckt bei einer Freundin, der er seinen Fernseher geschenkt hat, zu deren Missfallen »Wetten, dass…?« und hofft, dass hinter der Wette, die ihn so fasziniert, eine Liebesgeschichte steckt. Jedenfalls der fiktive Wolf Haas, der in dem normalen Buch »Das Wetter vor 15 Jahren« über fünf Tage von der erdachten Literaturkritikerin einer deutschen Zeitung über sein fiktives, vielleicht auch nicht fiktives Buch »Das Wetter vor 15 Jahren« interviewt wird. Der reale Wolf Haas hat wahrscheinlich einen Heidenspaß dabei, sich auf das Kleingedruckte und auf das, was dazwischen noch rein geht, zu konzentrieren. So hat sich das beim Lesen zumindest angefühlt.

Wolf Haas »Das Wetter vor 15 Jahren« dtv / 224 Seiten / € ab 7,-

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