Von Hasen, Gockel und schmutzigen Händen

Ein Plädoyer für Hasen, Gockel und schmutzige Hände, von Tina Auer und Andi Mayrhofer

 

Womit die eigenen Wahrnehmungen und Meinungen zu einer nahenden europäischen Kulturstadthaupt (das Wort nahend soll hier zu recht keiner Bedrohlichkeit entbehren) zu beginnen sind, ist kein leichtes Unterfangen.

Schwer gezeichnet durch die von der städtischen Kulturpolitik, über Jahre hinweg vorgehaltene Karotte in Form der möglichen Zusage durch die Europäischen Union, sitzen wir nun vor der zur Strecke gebrachten Beute. Es ist müssig, die teils jämmerlichen, teils grotesken Schlachtmethoden Revue passieren zu lassen, denn jetzt ist – endlich – die Zeit gekommen, Zubereitungsweisen zu formulieren und Rezepte auszupacken. Die Frage dabei ist: Wer wird zum Hasen, der geblendet von der daher rasenden Kulturhauptstadt paralysiert in letzter Minute überrollt, wird und wer wird rechtzeitig zum Geier, der mit unverhohlener Lust das nahende Mahl begutachtet? Wer drängelt sich wie dominant an die Linzertorte, um sie in Folge als fetten Braten der europäischen Öffentlichkeit zu kredenzen?

An der Spitze der Drängler scharren die Gockel, umgeben von gackernden Hühnern. Ein gewachsenes Leitbild der globalen Kunst- und Kulturszenen bestätigt sich wieder: die smarten Frauenversteher im Kreise gutbürgerlicher, emanzipierter Linkswählerinnen, jedoch durchzogen von wesentlichen Unterschieden. Es ist spannend, mit Menschen zu reden, die nicht versucht sind sich in Interessensheuchelei zu ergehen, um dann über die Getränkesteuer zu nörgeln. Auch die nicht nur an Oberflächen kratzenden Fragen fördern die Diskussionsbereitschaft und signalisieren ernst zunehmendes Interesse und Handlungsbereitschaft. Ein Großteil des Team09 hat den Vorteil nicht in den vorortigen, mittlerweile doch schwer erkrankten Gähnstrukturen kulturell aufgewachsen zu sein.

Der Blick von Aussen, aber auch das Wissen um die eigene, örtliche Mittelfristigkeit ermöglicht es ihnen sich weitgehend ohne Anbiederung durch den Tag zu bewegen und auf fatale Dinge, die im Sud der hiesigen Provinzialität garen, hinzuweisen oder gar mit vermeintlich kritischen Aussagen bei den hegemoniellen Zeremonienmeistern für Aufruhr zu sorgen. Eben diese örtliche Mittelfristigkeit und die Aussensicht können allerdings auch negative Auswirkungen haben – zum Beispiel eine – den internen „Betriebsenterprise“ gewohnheiten folgende – Blindheit, speziell gegenüber nicht in Ellbogentaktik geschulten, an vorderster Front kämpfender ProjekteinreicherInnen. Auch das ewige, monotone Herbeten derselben Gebote um Professionalität, Qualität und Nachhaltigkeit ermüdet, besonders wenn sich deren Definitionen im Wiederholen der Begriffe ergehen.

Marketingstrategien und mediale Aufmerksamkeitsheischereien mal hintanstellend, irritiert, dass aus dem Bermudadreieck mit den Koordinaten Professionalität, Qualität und Nachhaltigkeit ein schwimmender Musikantenstadel als das, endlich das Rad neu erfindende Zugpferd 09 aufgetaucht ist. Sind diese Projekte bis hin zu deren erfolgreichen Realisierungen nicht schon von anderen Donaureisenden hinlänglich abgearbeitet worden? Andererseits – langjährige Erfahrungswerte mit Klangwolken macht sicher: es hätte noch dicker kommen können.

Die Frage der Vermittlung ist ja eine heiße und das Thema Konzeptionierung überhaupt eine heikle Sache. Bewegt sie sich doch gerne zwischen Beliebigkeit und agenturgeschwängertem Zeitgeist auf Sparflamme. Das Publikum, mittlerweile in einer autodidakten Phase, hat es aber durchaus auch gerne einmal an der Hand genommen zu werden. Mit den ortsansässigen Platzhirschen und Hirschkühen, die in ihrer Behäbigkeit links und rechts nicht mehr zu unterscheiden wissen, den Veranstaltungsbeamten, die in Positionen gehievt wurden, um dort gleitend in die Pension zu wechseln, den Sesselklebern, anhand deren Haaransatz sich die Aktualität eines Programms ablesen lässt, wird es zäh den bevorstehenden Aufgaben gewappnet gegenüberzutreten.

Ist es wirklich so schlimm? Wahrscheinlich noch viel schlimmer als wir manchmal wagen zu denken – also – fragt nicht nach dem Mehrwert von Kunst und Kultur für Linz, sondern ermöglicht den Nährboden für einen an Ideen fruchtbaren Lebensraum und macht euch die Hände schmutzig.

Auer, Mayrhofer und Schwarz sind Mitglieder von Time’s Up

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