Show Business

Katja Haller zur Fortsetzung gesellschaftlicher Ungleichheit von Frauen und Männern.

 

In regionalen wie überregionalen Tageszeitungen häufen sich in letzter Zeit Berichte von Veranstaltungen mit Fotos und Texten, die mir besonders ins Auge stechen. Warum?

Auf einem Foto steht ein Generaldirektor umringt von seiner Gattin, zwei Hostessen – so bezeichnet die Bildunterschrift die Frauen – und einer Moderatorin. Letztere steuerte, wie es im Text heißt, Witz und Charme zur Firmenfeier bei. Der Text zählt jovial rund um ein Buffet mit „Meeresfrüchtesulz, Exotik-Espuma in Hippentüten und Schoko-Brunnen“ Vertreter aus Wirtschaftsund Finanzwelt, Tourismus und Politik auf:
Vorstandsvorsitzende, Generaldirektoren, Firmenchefs, Politiker, Obmänner. Im Reigen der namentlich genannten Personen findet sich nur eine Frau, eine Politikerin.

Vor und hinter den Kulissen
Historisch betrachtet, erobern Frauen zunehmend gesellschaftliche Bereiche. Ernüchternd ist die These, dass der Abbau geschlechtsspezifischen Ungleichgewichts in gesellschaftlichen Bereichen wie z. B. Bildung und Politik gleichzeitig zu Bedeutungs- und Machtverlust in diesen Bereichen führt sobald sich dort der Frauenanteil erhöht. Arbeiten der kritischen Frauenforschung stellen einen Zusammenhang zwischen Feminisierung und sinkendem Lohnniveau her. Verschärfend bleibt auch noch zu beobachten, dass die Funktionen, die Frauen in den jeweiligen Feldern bekleiden, meistens nicht annähernd die Gestaltungsmöglichkeiten erlauben, die den Funktionen der Männer innewohnt.

In der Politik nimmt der Anteil an Frauen kontinuierlich zu und die eine oder andere schafft es sogar bis zu einer Funktion an der Spitze. Frauen dringen aber in einer Zeit in die Politik vor, in der die klassische parlamentarische Demokratie an Bedeutung und Gestaltungskraft verliert. Entscheidungen, die sich auf das Leben der Menschen bedeutend auswirken, werden zusehends an anderen Orten als auf der politischen Bühne getroffen bzw. wesentlich mitbestimmt. Zu den Akteuren gehören wirtschaftliche Machtträger und (global agierende) Unternehmen. Der sich steigernde Frauenanteil, so der Soziologe Reinhard Kreissl, sei der beste Beweis für die sinkende Bedeutung eines Bereiches und damit für dessen Verlust an Prestige und Macht. Gewinnt die Inszenierung von männerdominierten Firmenfeiern, Verkostungen und Präsentationen im Lichte medialer Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Bereich an Bedeutung, Prestige und Macht?

Ein weiteres Foto aus einem Printmedium unterscheidet sich nur durch die genannten Protagonisten und das Buffet. Es zeigt vier Herren, die ein Tablett mit arrangierten Speckstreifen präsentieren, neben ihnen eine Kellnerin. Sie hält ein Tablett Bier ins Bild. Bierverkostung in hochrangiger Herrenrunde zusammengesetzt aus Wirtschaftsund Finanzwelt, Tourismus, Politik sowie in diesem speziellen Beispiel zusätzlich aus den Bereichen Kultur und Militär:
Vorstandsvorsitzende, Generaldirektoren, Firmenchefs, Geschäftsführer, Manager, Politiker, Obmänner, ein Oberst in Uniform, einer im Zivil. Im Reigen der genannten Personen findet sich diesmal keine einzige Frau außer der Kellnerin.

Umgekehrt lässt sich laut dem Soziologen Reinhard Kreissl sagen, dass überall dort, wo Männer Frauen draußen halten, wirklich noch etwas entschieden wird. Die Vermutung liegt nahe, dass die beschriebenen Fotos genau auf jene Bühnen hinweisen, wo diese Mechanismen – oder vielmehr Strategien – der Machtverteilung stattfinden.

Frauen haben daher in den entsprechenden Gremien, in denen Entscheidungen formell getroffen werden, wenig Möglichkeit der Mitsprache und Gestaltungskraft, da im informellen Rahmen – unter Ausschluss von Frauen – bereits ausgehandelt und entschieden wurde.

Die Bühne (medialer) Öffentlichkeit

Während Frauen das Parkett der Politik betreten, haben Männer bereits bei den oben beschriebenen Variationen vom klassischen Stammtisch die Fäden gezogen oder bzw. und unter Ausschluß der allgemeinen Öffentlichkeit strategische Seilschaften gebildet. Für die Inszenierung von Macht spielt die Präsentation in der medial hergestellten Öffentlichkeit eine wesentliche Rolle.

Sprache und Bilder prägen unsere Vorstellung und Wahrnehmung von Realität. Die hier beschriebenen Fotos verfestigen traditionelle Männer- und Frauenbilder, indem sie Frauen rein als dekorativen Aufputz darstellen. Sie erscheinen neben männlichen Machtträgern öffentlich reduziert auf die Rolle der Gattin, der Hostess, der charmanten Moderatorin oder der tollpatschigen Kellnerin … „der ein Tablett mit Bier aus der Hand rutschte, dass sich über den Manager ergoss.“ Texte und Bilder dieser Sorte reproduzieren Stereotype, verfestigen alte Klischees und liefern damit einen Beitrag, gesellschaftliche Ungleichheit der Geschlechter zu zementieren.

Quelle: Kreissl Reinhard, Die ewige Zweite. Warum die Macht den Frauen immer eine Nasenlänge voraus ist. Droemer Vrlg., München, 2000.

Katja Haller ist Geschäftsführerin von FIFTITU%

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