Den Onlinewahlhelfer schlechthin stellt Martin Wassermair vor.
Die erfolgreiche Online-Wahlhilfe ist jetzt auch in Oberösterreich im Einsatz. Seit dem Herbst 2002 steckt Österreich im „Wahlkabine“-Fieber. Ob in den Prüfungsfragen eines Informatiklehrgangs, im E-Mail-Newsletter einer Diabetes-Selbsthilfegruppe oder in den Informationsblättern eines Innviertler Steuerberaters – ein Hinweis auf das Internet-Tool mit dem poppigen Erscheinungsbild durfte vielerorts nicht fehlen. Immerhin wurde wahlkabine.at im Vorfeld der Nationalratswahlen 450.000 mal genutzt und gilt somit als Österreichs bislang erfolgreichste Online-Wahlhilfe.
Ein Jahr später ist wahlkabine.at erneut im Einsatz. Am 28. September finden in Oberösterreich – wie auch in Tirol – Landtagswahlen statt. Auch in diesem Zusammenhang wird einmal mehr deutlich, wie zunehmend schwierig es geworden ist, sich im Dickicht der Politik einen Überblick über Inhalte und Positionen zu verschaffen. Was sagen Oberösterreichs Parteien zu Temelin, VOEST oder zum Neubau des Musiktheaters in Linz? Was ist ihre Ansicht zu Fragen nach mehr Direktdemokratie oder dem Wahlrecht für Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft? Haben die Landesparteien zu bundespolitischen Themen gleichlautende Standpunkte wie die Parteizentralen in Wien? Nicht nur dies lässt sich ab sofort in Erfahrung bringen.
Die Online-Wahlhilfe stellt 25 Fragen zu aktuellen Politik-Themen, die in den Bundesländern Bedeutung haben. Je nach Beantwortung werden die Ergebnisse schließlich den wahlwerbenden Parteien zugeordnet (im Falle Oberösterreichs: ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und KPÖ). Am Ende ist an einer Balkengraphik abzulesen, mit welcher Partei die individuelle Übereinstimmung am größten ist. Ein auf den ersten Eindruck sehr einfaches Prinzip, das allerdings in der Entwicklung der Grundlagen auf Erfordernisse im Hinblick auf wissenschaftliche Korrektheit, politische Integrität und breite Vermittlung zu achten hat.
Die im Jahr 2002 bewährte Trägerschaft, bestehend aus der Wiener Netzkultur-Plattform Public Netbase, dem „IFF – Abteilung für politische Bildung” (Prof. Peter Filzmaier), der „Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft“ (Prof. Birgit Sauer) sowie der „Gesellschaft für politische Aufklärung“ (Prof. Anton Pelinka), hat nun für die Realisierung der oberösterreichischen Version ganz gezielt die Zusammenarbeit mit der KUPF gesucht. Es braucht einen regionalen Partner, der über ausreichend Sachkenntnis von den Besonderheiten eines Bundeslandes verfügt. Darüber hinaus liegt es auch in der Verantwortung des eigens dafür zusammengesetzten Redaktionsteams, in der Fragenauswahl nicht nur Themen zu berücksichtigen, die ohnehin tagtäglich in Mainstream-Medien aufgegriffen werden.
Der Umstand, dass wahlkabine.at dem Verständnis einer partizipativen und content-orientierten Nutzung von neuen Technologien folgt, legt es natürlich nahe, mit besonderem Augenmerk auch Themengebiete anzusprechen, die im politischen Diskurs nicht mit dem Quoten-Denken vereinbar sind und daher nur sehr schwer eine breite Öffentlichkeit erreichen können. Im Falle der oberösterreichischen Mutation von wahlkabine.at sind zwei Fragen dafür beispielgebend: „Soll das Recht des oberösterreichischen Landeshauptmanns auf regelmäßige Radioansprachen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgehoben werden?“ Und: „Soll das Veranstaltungsverbot für Pop- und Rockkonzerte am Karfreitag in Oberösterreich aufgehoben werden?“ Hier tun sich nicht nur große Differenzen zwischen den Parteien auf, auch die vielen Tausenden Userinnen und User machen diese landesspezifischen Eigenheiten noch wochenlang zu Gesprächsthemen in ihrem sozialen Umfeld.
Die wichtigste Überlegung ist – und das gilt uneingeschränkt auch für die Landtagswahl in Oberösterreich –, mit wahlkabine.at ein Instrument zu schaffen, das Neugierde und Interesse für politische Inhalte weckt, Positionen in der Politik im Sinne einer Orientierungshilfe sichtbar macht und zugleich Nachdenk- und Diskussionsprozesse anregt. Die Online-Wahlhilfe verfolgt nicht den Zweck, politische Bekenntnisse oder die Treue zu einer Partei zu überprüfen. Bei einer Wahlentscheidung spielen immer unterschiedliche Motive mit, sie wird schließlich nicht nur von der Orientierung an Sachthemen bestimmt.
Der Erfolg von wahlkabine.at ist seit nunmehr einem Jahr sicherlich auch damit zu erklären, dass viele Menschen der gängigen Darstellungsformen von Politik in immer stärkerem Maße überdrüssig sind. Die Einengung auf so genannte „Lagerkonflikte“ und „Kopf-an-Kopf-Rennen“ hat die Möglichkeiten einer öffentlichen Debatte um politische Inhalte ebenso sehr zurück gedrängt, wie der mediale Hype um Stars aus der Sport- und Medienindustrie, die immer ganz plötzlich als Wahlkampflokomotiven hervorgezaubert werden. Oberösterreich ist hier nicht anders. Nicht zuletzt deshalb ist auch hier der Beitrag der „Wahlkabine“ unverzichtbar – als Orientierungshilfe zur Auseinandersetzung mit Politikinhalten sowie zur Diskussion der Bedeutung von Wahlen als Instrument politischer Beteiligung in einer demokratischen Gesellschaft.