Hasen auf Motorrädern

Lifestyle-Report.

Auch wenn man seit Dekaden weiß, wie der Erdball aussieht, ist uns klar, die Welt ist zwar endlich in ihren Grenzen, aber sie ist auch sehr groß und sehr weit. Entscheidungen sind schwierig zu treffen; es ist unvorhersehbar, wie sich diese Dispositive in der Wirklichkeit zeigen und welche Auswirkungen sie haben. Wenn uns wieder einmal gesagt wird: «Heute ist die politische Lage angespannt», dann können zumindest Menschen mit Asperger-Syndrom über einen solchen Wetterbericht herzlich lachen. Probleme bleiben, gestern und morgen. Wir erschaffen ständig Realitäten, deren Probleme wir nicht nur miterzeugen, sondern vielleicht nicht bewältigen können. Es scheint schwierig, sinnvolle Fragen zu stellen. Beatles oder Stones, Rotwein oder Weißwein, Harry Potter oder Pippi Langstrumpf – die Entscheidung funktioniert nicht mehr. Die Arbeiterklasse ist erodiert und wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft oder Mediengesellschaft oder Kontrollgesellschaft, Leistungsgesellschaft, Spaßgesellschaft, Konsumgesellschaft, etc.

Die neue Akzeleration-Philosophie fragt, ob nicht die Entgrenzung des Kapitalismus nützlich sei. Schließlich und endlich, welchen Impact haben all die schönen Strömungen von Slow-Food, Entschleunigung oder der Verzicht? Die Antwort: keinen, zumindest keinen messbaren. Diese Haltungen sind offensichtlich schwach, nicht mächtig, weil sie Machtgefügen und machtvollen Entwicklungen kritisch gegenüberstehen. Kann eine Beschleunigung sinnvoll sein? Und in welche Richtung läuft das Karacho? Der Kapitalismus hat einen Finanzkapitalismus entwickelt, für den nur noch Supercomputer rechnen. Sollen wir uns nun alle beeilen? Und welche Fragen sollen wir auf die Schnelle stellen? Oder lassen wir einfach rechnen? 2018 kommt die neue Suchmaschine von Google auf den Markt. Dann werden zur Suche nach Stichwörtern gleich die passenden Anekdoten, Analogien und Geschichten mitgeliefert; die UserIn nutzt dann Google-Brain und in einem dystopischen Ausblick vielleicht nicht mehr ihr eigenes. Geliefert werden Antworten, keine Fragen.
Welche Fragen sollen wir stellen? Soll man sich in der Kulturarbeit auf so etwas wie Grundlagenforschung besinnen? Urbane Strategien entwickeln zum Beispiel, oder soll man versuchen sich noch schnell mit großen Playern zu verbünden? Soll man Werbung machen für die kleinen Kulturvereine auf teurem Red-Bull-Gelände oder schätzt man Autonomie? Lieber Algebra oder Geometrie? Lieber liegen oder gehen?

Renate Rehbein

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