Autobahn ins Nirgendwo

Ein Stück Autobahn liegt quer am Ende der Straße. Eine Horizontale aus Asphalt. Daumen mal Pi sind das etwa 500 m² Brache mitten im Stadtraum. Es ist quasi ein lost Highway mit ruralem Gewächs rundherum und Fahrbahnmarkierungen mit Vorankündigungspfeilen; es gibt auf dieser vergessenen Autobahn zudem erheiternde Flick- und Ausbesserungsarbeiten, doch passiert dort niemals, nie ein Verkehrsunfall. Zwar liegen dort also die Pfeile in Autobahn-Gelb, doch es ist ein ruhiger Ort, der auf irgendeine Nutzung wartet. Nur der Verkehrslärm der Umgebung sagt einem, dass dieser Ort, so überraschend er anmutet, auch wirklich ist.
Wen Stadtspaziergänge nicht interessieren, die Horizontale aber schon, kann sich des Autobahnfragments auf Googlemaps selbst im Liegen vergewissern: Ende Franckstraße in 4020 Linz, Ecke Fröbelstraße; nebst dem «Club Dracula» liegt sie da. 1974 als Autobahnabfahrt geplant, ist sie durch Bürgerproteste von den Bewohnerinnen im Viertel erfolgreich verhindert worden. Zum Glück wird das Autobahnteilstück nicht als Parkplatz genutzt, weil das ein Gehsteig, der die Autobahn abschließt (!), vereitelt.

Nicht auszudenken, was man mit diesem baulichen Artefakt alles anstellen könnte! Freilich hat die Stadtregierung keine Erfahrung mit informeller Nutzung – weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart wurden und werden von ihr informelle Nutzungen und Praktiken geliebt: Man musste und muss diese Stadtregierung schon um eine temporäre Genehmigung ersuchen. Denn schließlich gilt: Eine temporäre Genehmigung ist eine temporäre Genehmigung ist eine temporäre Genehmigung, die qua Amt nicht nur auszustellen ist, sondern auch zu Ende verwaltet werden muss. Oder Sie starten einen Wettbewerb für jedes noch so kleine informelle und temporäre Scharmützel.

Ob das nun offene Bücherschränke, einen Selbstbau-Skatepark betrifft, oder eine Nutzung einer Brache im Stadtraum ist tatsächlich irrelevant. Es gilt auch nicht, was informell bereits gut funktioniert und von Nutzerinnen gemeinsam erprobt und geteilt wird, sondern was durch eine amtliche Genehmigung nun einmal festgeschrieben wurde. Macht es Sinn, bei der Stadt solche informelle Nutzungen mit Diplomatie zu erfragen? Duchamp aus dem Off: Es gibt keine Lösung, weil es kein Problem gibt. Alles richtig und dennoch falsch, sagt ein zeitgenössischer Schach-Großmeister.

Leider weiß niemand so recht, wann der neue Bürgermeister oder die neue Bürgermeisterin kommt. Bis dahin wollen wir es doch einmal wieder mit zivilem Ungehorsam probieren und die vielen spannenden Plätze auf der offenen Straße im Stadtraum ungefragt nutzen und bespielen.

Die Bürgermeisterin von Entenhausen

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