G`nackwatsch’n: Für alle Beleidigten

Eigentlich ist es kaum zu fassen: Auf Zuruf von in Österreich lebenden ungarischen Nationalistinnen, die noch dazu der rechtsextremen und wirklich grauslichen Jobbik-Partei nahestehen, entfernt und zerstört die Linzer Polizei provokante Collagen der Wiener Künstlerin Marika Schmiedt. Womöglich sogar auf Anweisung des Verfassungsschutzes. Der Grund: Einzelpersonen fühlten sich, ihr Land, ihren Premier und ihr Volk durch die Kunstaktion beleidigt. Rassistisch beleidigt wohlgemerkt.

Eine Begründung, die an Dreistigkeit wohl kaum zu übertreffen ist, denn die Künstlerin hatte mit der Ausstellung in der Altstadt die allgegenwärtige Diskriminierung der Roma in Europa und auch in Ungarn thematisiert. Ein Anruf einer ungarnnationalen Anwältin beim Verfassungsschutz genügte offenbar, um den Polizeieinsatz zu erwirken.

Während sich die Polizei immerhin entschuldigt hat und ihr die ganze Angelegenheit zumindest etwas peinlich sein dürfte, gibt’s vom Verfassungsschutz freilich keine Stellungnahme und auch in Medien und Politik hielt sich der Aufschrei in Grenzen, sieht man von Falter, Standard und den Grünen ab. Genug Kandidatinnen für eine Gnackwatsch’n also.

Doch diesmal möchten wir’s uns nicht so einfach machen, denn Politik, Polizei und Medien stehen diesbezüglich ja ohnehin ständig Schlange vor unserer Redaktionstüre. Wir wollen in diesem Fall etwas breiter ausholen und deswegen geht die frühsommerliche Gnackwatsch’n an alle «Beleidigten» dieser Welt. An alle rechten und konservativen Mimoserl, die sich mit missionarischer Leidenschaft einer gekünstelten Aufregung hingeben und glauben, ihre Meinung sei etwas anderes als eben nur eine Meinung.

An alle, die behaupten, es gäbe Grenzen, die Kritik nicht überschreiten dürfe, die glauben, was ihnen «heilig» ist, müsse für alle heilig sein und deshalb unter einem besonderen Schutz stehen. Gewatscht werden heute alle, die ihre Ehre, ihren Nationalstolz, ihre Religiosität oder ihr Volk – was immer das dann genau sein soll – für sakrosankt und unantastbar halten. Alle, die sich anmaßen, Toleranz und Respekt für ihre absurden Welt- und Sittenbilder einzumahnen, selber aber eine intolerante Scheinheiligkeit kultivieren und bei jeder Gelegenheit den Rest der Gesellschaft damit belästigen. Wenn’s dann noch dazu genau jene sind, die durch ihren Umgang mit Minderheiten, die Strangulierung demokratischer Institutionen und die Aushöhlung des Rechtsstaates eigentlich eine Beleidigung für jede aufgeklärte Europäerin sein müssten, dann wird’s besonders absurd. Diesen Beleidigten sei eines ins Stammbuch geschrieben: Im gleichen Maße wie wir mit euren kruden Ansichten, mit euren Moralvorstellungen und archaischen Riten leben müssen, müsst ihr es auch mit unserer Kritik. Und vor dieser Kritik ist niemand und nichts gefeit. Genau darum geht es nämlich.

Ob Islam oder Christentum, Mohammed oder Jesus, Österreich oder Ungarn: Alles darf, soll, kann und muss kritisiert und hinterfragt werden. Und zwar in der Form, in der es die Kritikerinnen für angebracht halten. Und wer in ganz Europa als leuchtendes Negativbeispiel für die Diskriminierung von Minderheiten gilt und sich gerade von einem rechtskonservativen durchgeknallten Premier ins Abseits führen lässt, muss eben damit leben, dass die Form der Kritik mitunter auch weh tut. Das soll jetzt bitte keine Beleidigung sein, sondern eine Watsch’n im wahrsten Sinne des Wortes. Viel unfassbarer als diese ganze Causa ist nämlich die Lage der Roma in Ungarn, die gesellschaftliche Ächtung und die Verfolgung durch paramilitärische Ableger von Jobbik und Konsorten. Aber für sowas reicht eine Gnackwatsch’n leider bei weitem nicht aus.

Nähere Infos:

→ versorgerin.stwst.at
→ marikaschmiedt.wordpress.com

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