Kulturpolitik braucht Klimawechsel

Von den Grünen bis zu Khol – alle reden von der zivilen Gesellschaft. Jeder meint dabei offensichtlich etwas anderes.

 

Wer sich fragt, wie dieser Begriff in der Kulturpraxis gebraucht werden kann, der packe die Gelegenheit beim Schopf und vertiefe sich in die Lektüre eines vor kurzem erschienenen Buches. 83 Seiten, kleines Format, locker layoutiert. Die Rede ist vom neuen Buch der IG Kultur: „Klimawechsel. Für eine neue Politik kultureller Differenz“, erschienen im Dezember 1998.

von Gabriele Kepplinger

Es handelt sich bei diesem Buch um einen Ergänzungskatalog kulturpolitischer Forderungen zu dem vom Bundeskanzleramt herausgegebenen Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik. Forderungen für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der unabhängigen Kunst- und Kulturarbeit, die sich auf einen 2 Jahren andauernden Diskussionsprozeß innerhalb der autonomen Szene stützen. Sie erstrecken sich von grundsätzlichen Themen wie „Umverteilung“ oder „Symmetrie der Geschlechter“ über die „gläserne Kulturverwaltung“ bis zu speziellen Anliegen von Kulturinitiativen, Freien Radios, Kulturservern und Programmkinos. Erfrischend an diesem Werk sind die Vorwörter von Oliver Marchart, Robert Menasse und Gerald Raunig. Sie betten die knochentrockene Materie der Forderungen in eine klar umrissene Vision autonomer Kunst- und Kulturarbeit. Gleichzeitig werden diese Aufsätze zu einer Argumentationshilfe für die Kulturpolitik, indem sie einen Ansatz für die Legitimation von Kunst- und Kulturförderung liefern, der jenseits von imagebildender Rentabilität oder marktorientierter Verwertung derselben liegt. Der Philosoph Oliver Marchart recodiert hierfür den Begriff der zivilen Gesellschaft. Und zwar politisch. Ein Postulat für eine radikal-demokratische Kulturpolitik. Kultur nicht als Ware – Öffentlichkeit nicht als Marktplatz – Zivilbürger nicht als Konsumenten.

Zivilgesellschaft wird in diesem Zusammenhang verstanden als öffentlicher Raum politischer Debatte und die Kultur als ein Teil von ihr, nämlich als jener Ort, an dem sich Meinungen ausbilden und öffentlich artikuliert werden. KünstlerInnen wie Kulturinitiativen tragen in diesem Sinne zur Erzeugung demokratischer Öffentlichkeit bei, sind aktive MitgestalterInnen demokratischer Prozesse. Die Rahmenbedingungen hierfür sind durch den Staat zu leisten, denn Kultur ist als öffentliche Angelegenheiten des Gemeinwesens nicht privatisierbar: „Es geht um die Gewährleistung der Möglichkeit von öffentlicher Diskussion, von kulturellen und intellektuellen Foren – sprich von Öffentlichkeit selbst. Daraus leitet sich ein Recht auf staatliche Kulturpolitik jenseits aller Festivalisierung und Ver-Managerung ab.“

Der Untertitel des Buches „Für eine neue Politik kultureller Differenz“ verweist darauf, daß es um jene „Öffentlichen Angelegenheiten“ geht, die nicht mehrheits- oder konsensfähige Inhalte darstellen, sondern differente und Minoritätenthemen zum Schwerpunkt haben. Strukturelle Absicherungen der Initiativen und soziale Absicherungen der in diesem Bereich tätigen Kunst- und KulturarbeiterInnen sind mehr als mangelhaft. Im Gegensatz zu den hohen Summen, die in repräsentative bürgerliche Kultur, den zugehörigen Bauten und in imageträchtige Events fließen. „Klimawechsel. Für eine neue Politik kultureller Differenz“ ist ein Pladoyer für eine Kulturpolitik, die gezielte Maßnahmen setzt, um die Rahmenbedingungen für eine vielfältige Kunst- und Kulturszene herzustellen. Mit praktischen Handlungsanleitungen im Forderungskatalog, der mit der ganz banalen aber dringlichen Forderung nach „Mehr Geld“ beginnt. Die autonome Kulturarbeit hat im Interesse der vielzitierten Zivilgesellschaft aus- reichend finanziert zu werden.

Gleichzeitig stellt „Klimawechsel“ aber auch eine Aufforderung an die Szene selbst dar, sich den Heraus- forderungen einer politisch relevanten Kunst- und Kultur- produktion neu zu stellen. „Prinzipiell ist – sowohl was die Inhalte auch was die Formulierungen betrifft – der Urheberrechtsschutz in diesem Buch aufgehoben. Sie sind aufgefordert, was Ihnen gerade paßt, zu kopieren und in Ihre Programme aufzunehmen. Plündern Sie nach Herzenslust!“ steht im Vorwort von Gabi Gerbasits, Gerald Raunig und Martin Wassermair.

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