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MigrantInnen sind eigentlich ganz normal.

von Andi Wahl

Im Februar fand die Jurysitzung zum 5. KUPF-Innovationstopf statt. Unter dem Titel „DaSein“ wurden KünstlerInnen und Kulturschaffende aufgefordert Projekte einzureichen, die sich mit der Situation von MigrantInnen in Oberösterreich auseinandersetzen. Von den eingereichten 29 Projekten wurden neun von der Jury dem Land zur Förderung empfohlen. Andi Wahl versucht eine kleine Nachbetrachtung der Diskussionen, die rund um diesen Innovationstopf geführt wurden bzw. was er selbst dabei gelernt zu haben glaubt.

Mögen sie kanadischen Lachs, portugiesische Weine, kroatischen Slibowitz oder bevorzugen sie die Deftigkeit böhmischer Dampfnudeln? Fahren ihnen lateinamerikanische Rhythmen auch so in Beine und Lenden, dass es sie kaum noch auf dem Sessel hält? Genießen auch sie die archaische Kraft schwarzafrikanischer Trommelmusik, oder lieben sie die komplexen Klänge bulgarischer Frauenchöre die mit unserem Notationssystemen der Halbtonschritte gar nicht zu fassen sind?

All das sind Dinge die sich hoher Beliebtheit erfreuen. „Gute Differenz“ nennt es der deutsche Psychologe und Kulturpublizist Mark Terkessidis, und wählt dafür das Döner-Kebab als Bild für beliebte Kulturimporte. Diesen „guten Differenzen“ stellt er das „islamische Kopftuch“ als „böse Differenz“ gegenüber und beschreibt damit in etwa das Spannungsfeld in dem Kultur von MigrantInnen diskutiert wird. Natürlich handelt es sich dabei um unzulässige Stereotypen, aber gerade das Thema der MigrantInnenkultur scheint untrennbar mit Stereotypen verbunden zu sein. Wie etwa das Bild der armen, rechtlosen und ausgebeuteten Migrantin, die eingezwängt zwischen Staats- und Alltagsrassismus und patriarchalen Familienstrukturen wehrlos ihr Leben fristen muss (Kopftuch). Oder Kemal, der freundliche Gemüsehändler ums Eck, der neben frischem Gemüse, herrlichem Schafkäse und picksüßen Baklawa auch so manchen Sinnspruch aus seiner Heimat zum Besten gibt, oder wehmütige Lieder zu singen weiß (Döner).

Die Betrachtung von MigrantInnenkultur aus diesen Stereotypen zu lösen, war eines der Anliegen des diesjährigen KUPF-Innovationstopfes. Unter dem Titel „DaSein“ wurden KünstlerInnen und Kulturschaffende aufgefordert, sich mit der speziellen Lage von MigrantInnen auseinanderzusetzen und dazu Projekte einzureichen. Die zu vergebende Summe von 1,25 Millionen wurde aus Mitteln der Landeskulturförderung (1 Mio) und des Landessozialressorts (250.000,-) aufgebracht.

Kultur ist nichts Starres

Nicht nur, dass MigrantInnen, wie in vielen Anderem auch, von der Kultur- und Förderpolitik extrem benachteiligt werden, wird ihrem Kulturschaffen oftmals auch vorenthalten, was für andere Bereiche des kulturellen Lebens gang und gäbe ist, nämlich Kultur als Ausdruck des unmittelbaren Lebens und der Lebensführung zu definieren. MigrantInnen werden oftmals auf die Traditionskultur ihrer Herkunftsländer festgeschrieben, auch wenn diese Tradition dortselbst gar nicht mehr gelebt wird. Auch ÖsterreicherInnen, von denen man im besten Falle erstaunte Blicke erntet, wenn man sie auffordert doch einmal Schuhzuplatteln und ein bisserl dazu zu jodeln, interessiert vor allem „der kulturelle Reichtum, den MigrantInnen aus ihren Ländern mitbringen“.

Dieses starre Bild unterschiedlicher Kulturen, die sich gegenüberstehen und Probleme im Zusammenleben verursachen, war lange Zeit die Domäne extrem reaktionärer Kreise, die daraus einen Kampf der Kulturen konstruierten und einmal mehr den Untergang der abendländischen Kultur prophezeiten. Sich fortschrittlich wähnende Kreise unterscheiden sich von diesen oftmals nur darin, dass sie diese „fremden Kulturen“ achten oder von ihnen profitieren wollen. Auch diese Festlegung auf Exotik (ob negativ-bedrohlich oder positiv-bereichernd) sollte durch den KUPF-Innovationstopf aufgebrochen werden. Um eine Erkenntnis zu verbreiten: MigrantInnen sind ganz normal. Und sie haben die selben Bedürfnisse wie InländerInnen: Schutz des Lebens, soziale Absicherung, Entfaltungsfreiheit, freie Wahl des Aufenthaltsortes, Zugang zu Bildung und Karriere, Wahlrecht, gutes Essen, Versammlungsfreiheit usw.

Einen wesentlichen Schritt getan

Und noch etwas scheint gelungen zu sein durch den Innovationstopf 01. Endlich das Bild von MigrantInnen als hilfsbedürftige und unterdrückte Bevölkerungsschicht, um die sich wohlmeinende Menschen zu kümmern hätten, zu relativieren. Diesem Bild konnte ein anderes, das kreativer, wehrhafter und zu manchem entschlossener Einzelpersonen und Gruppen gegenübergestellt werden. Auch die angestrebte stärkere Zusammenarbeit zwischen MigrantInnen und Angehörigen der Dominanzkultur wird in einigen von der Jury ausgewählten Projekten angegangen. Einreichungen von Organisationen, die vorwiegend von ÖsterreicherInnen getragen werden und die FÜR MigrantInnen tätig sind, die also einen eher karitativen Ansatz pflegen, hatten indes einen sehr schweren Stand bei der Jury. So wurden Einreichungen von SOS-Menschenrechte, den Grünen oder einer Klasse der Sozialakademie sehr rasch aussortiert oder mit strengen Auflagen versehen. Macht der MigrantInnen sichern

Auffallend war auch der große Anteil von Medienprojekten, sowohl bei den Einreichungen als auch bei den von der Jury ausgewählten Projekten. Verstehbar wird das allerdings, wenn man sich die Kriterien betrachtet, nach denen die einzelnen Jurymitglieder die Projekte beurteilten: Steigerung der Sichtbarkeit von MigrantInnen in der Öffentlichkeit, Stärkung der politischen Rechte und die Selbstvertretung von MigrantInnen, strategische Machtvergrößerung von MigrantInnen.

Da von der Jury auch ein Projekt ausgewählt wurde, das den Innovationstopf ’01 evaluieren wird, erhofft sich die KUPF wesentliche Lehren für ihre weitere Arbeit im Bereich der MigrantInnenkultur und Impulse für eine Adaptierung der Förderpraxis des Landes Oberösterreich.

Andi Wahl

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