Über die Notwendigkeit von Diskursen

Nachbetrachtung und Ausblick zur Veranstaltungsreihe „∑=“

 

von Stefan Haslinger

Machterhaltung, Stützen der Hegemonie, Image-Aufbesserung; Schlagworte die, wenn sie für die „freie Szene“, für Kulturinitiativen verwendet werden, auf Ablehnung und Widerworte stoßen. Vielleicht deshalb, weil das selbstreflexive Element in der Kulturszene doch oft auf Schönfärberei der eigenen Arbeit basiert.

Dieses Spannungsfeld zwischen der eigenen Kulturarbeit und der theoretischen Auseinandersetzung mit den Arbeitsbedingungen in einem grösseren gesellschaftlichen Kontext, bildete den Ausganspunkt für die Veranstaltungsreihe „Summe =“, die die Kupf gemeinsam mit dem Kunstraum Goethestraße veranstaltet. Den Vorwurf werden wir uns wohl gefallen lassen müssen, dass die Theorie nicht unbedingt die Relevanz für alle Initiativen hat. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, welche „Lehren“ wir für unsere Arbeit aus philosophischen Betrachtungen ziehen können.

Was bedeutet der Stehsatz von der Kulturalisierung der Politik für Kulturinitiativen? Boris Buden, Protagonist der ersten Veranstaltung ritt sein Steckenpferd. Er sprach über die radikale Depolitisierung der Gesellschaft, als Ergebnis der Kulturalisierung. Dieses Thema klingt in erster Linie überholt und lässt Aktualität missen, könnte gemeint werden. Doch im Versuch, diese These herabzubrechen, gibt es beinahe zwangsweise die Erkenntnis, dass sie für die Arbeit der Kulturinitativen einen Eckpfeiler darstellt. Mit der Arbeit, die von den Kulturinitiativen und Kunst- und Kulturschaffenden geleistet wird, wird der Kulturalisierung Vorschub geleistet.

Ja, drastischer forumuliert, ist die „freie Szene“ immanenter Bestandteil des Kulturalisierungskonzeptes. Oder wie es Buden formulierte „Kultur steht heute für das Ganze der Gesellschaft.“ Es fällt den Herrschenden nicht schwer, sich jenes symbolischen Kapitals zu bedienen, das von Kulturinitiativen produziert wird, und darüber hinaus gelingt es ihnen „politische Konflikte zu pazifizieren und sie in eine andere Domäne zu überführen, nämlich die der Kultur“. In der damit einhergehenden „radikalen Depolitisierung der Gesellschaft“, steckt ein großes Aktionspotential für die „freie Szene“, jenem Teil des kulturellen Sektors, der sich per se als politisch versteht. Mit Kulturarbeit einer Kulturalisierung, die nur dem Zweck der Imagebildung und Ubertünchung dient, entgegenzuwirken, verlangt ein Mehr an theoretischer Auseinandersetzung, die aber als Konsequenz zu einem Mehr an konzeptioneller und projektorientierter Arbeit führt.

Die Imagebildung war eine der Kernthesen des Vortrages von Mark Terkessidis, dritter in der Reihe der Veranstaltungen. Der Kulturpublizist aus Köln nahm vor allem Bezug auf die Bildung von Differenzreservoirs, und die Verwendung von Bildern als Surrogat für gesellschaftliche Werte. Die Meinung, dass Kultur nur als Instrument in den Händen politischer Akteure dient, ist obsolet. Kultur ist zu einem Veredelungsprinzip für politische Prozesse geworden und funktioniert in ihrer Überformung vor allem für die Imagebildung und das indivduelle Selbstverständnis innerhalb der Gesellschaft.

Gerade aber auch für dieses Selbstverständnis zeichnet die freie Kulturarbeit mitverantwortlich, da sie Bestandteil des Mythos ist, der Kultur als etwas unanfechtbar Gutes sieht. Dieser Mythos dient selbtsredend als Legitimationsgrundlage für Kulturarbeit. Dabei wäre es vielleicht einmal interessant, so Terkessidis, über das Andere von Kultur nachzudenken – sozusagen über Postkultur (wobei dies eher als Polemik und Zuspitzung zu verstehen ist). Heutzutage darf sich kulturelles Schaffen nicht mehr mit der Selbstdarstellung als subversive Kraft zufrieden geben. Für die freie Kulturarbeit könnte es aber heissen, die Grenze zwischen „guten“ (weil gesellschaftlich akzeptierten) und „schlechten“ kulturellen Differenzen aufzuweichen, bis hin zur Auslöschung der Grenzen.

Eine Arbeit, die mit Sicherheit kein kurzfristiges Projekt darstellt, aber wert wäre, es einmal anzudenken.

Stefan Haslinger

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