Andere Sichtbarkeit

Wir sind nicht gleich. Dass ich ein migrantisches Arbeiter*innenkind in Österreich bin, spüre ich jeden Tag, überall – im Gesundheitswesen, am Magistrat, im Job oder in Partner*innenschaften. Egal, was ich mache, ich werde ein- bzw. aussortiert. Das macht mich stärker abhängig, finanziell und emotional. Hinter jeder Ecke lauern potenzielle Überlebenskämpfe und Trigger. Ich bin so müde davon. Auf die Solidarität von Privilegierteren konnte ich bisher nur auf der Oberfläche setzen. Geht es darum, eigenes (Fehl-)Verhalten und die strukturelle Dimension dahinter wirklich und ehrlich zu sehen und zu ändern, passiert auf der Seite der Mächtigeren meist: nichts. Oft sehen oder beachten privilegierte Menschen in meinem (beruflichen) Umfeld gar nicht, dass mich Vieles anders und stärker betrifft. Ganz im Gegenteil: Ich muss noch mehr ‚leisten’ und noch stärker dankbar sein, noch mehr österreichische Egos streicheln, um annähernd das zu bekommen, was andere einfach so kriegen. 

Migrantische Frauen ohne viel Geld am Konto haben jeden Tag andere Kämpfe zu führen als weiße Männer mit mehr finanziellen Ressourcen. Warum wird einfach so angenommen, sie könnten – etwa im Job – genauso funktionieren, ja sogar mehr leisten? Wir navigieren unsere Körper jeden Tag durch rassistische, frauenfeindliche, klassistische Strukturen. Das ist harte Arbeit. Zusätzlich zu jener, die wir ohnehin schon machen. Abgesehen von der unbezahlten Sorge- und Hausarbeit, die meist weiterhin von Frauen geleistet wird. Dein Chef, der ständig Überstunden macht und erreichbar ist, kann das nur, weil im Hintergrund jemand zuhause arbeitet. 

Ich kann mir inzwischen leisten, das zu thematisieren und zu kritisieren – was letztlich auch ständige Bildungsarbeit bedeutet. Bei radikalen Ungleichheiten werde ich radikal dagegen steuern. Ich werde nicht zum Rassismus gehen, ihn lieb anstupsen und freundlich fragen, ob er heute ein wenig leiser sein kann. Erwartet wird von mir im Job aber, wie von vielen anderen migrantischen Frauen,  besonders viel stille Dankbarkeit und Aufklärungsarbeit wie diese hier. Falls unsere Arbeit überhaupt gesehen wird. Die serbische Reinigungskraft vor sechs Uhr in der Früh: Wie sie ihre Kinder betreuen soll oder mit ihrem lächerlichen Gehalt weiter ihre Stromrechnung zahlen soll, fragt niemand. Hauptsache sie bleibt unsichtbar – wie so viele andere auch.  

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