Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität

Anlässlich der aktuellen Publikation der gfk oö spricht Thomas Diesenreiter mit Thomas Philipp, Autor und Projektleiter von Kulturpolitik wagen, über sozialdemokratische Kulturpolitik und Kulturpolitik der SPÖ OÖ.

Thomas Diesenreiter: Ist die kulturpolitische Position der Gesellschaft für Kulturpolitik Oberösterreich (gfk oö) die kulturpolitische Position der SPÖ OÖ?

Thomas Philipp: Nein, ganz sicher nicht. Die gfk oö ist eine gemeinnützige Organisation, die sich den Werten der Sozialdemokratie verbunden fühlt – so haben wir das auch in unserem Leitbild definiert. Entsprechend kann sie durchaus kritisch gegenüber einzelnen Positionen der Sozialdemokratie stehen und sich mit kulturpolitischen Positionen anderer Parteien identifizieren.

Gibt es überhaupt eine kulturpolitische Position der SPÖ OÖ abseits der gfk oö? Von außen hat man den Eindruck, dass die SPÖ die Kulturpolitik an die gfk ausgelagert hat.

Das ist ein falscher Eindruck. Die SPÖ OÖ hat kein landeseigenes Parteiprogramm, in dem Kultur festgeschrieben sein könnte. Bei Wahlprogrammen finden sich dann kulturpolitische Positionen, die von der gfk genauso kommen können, wie von dem*der kulturpolitischen Sprecher*in der Partei, oder vom Bund Sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen. Der Eindruck entsteht sicher durch die Nähe einzelner Personen. So haben Personen in der gfk entweder eine Vergangenheit oder eine Gegenwart als sozialdemokratische Funktionär*innen. Es gibt im Vorstand der gfk aber auch Personen, die bewusst nicht Parteimitglied sind.

Kulturpolitik wagen war ja in erster Linie keine Broschüre, sondern ein Prozess, eine Reihe von Veranstaltungen. Was war genau die Idee dahinter und wie habt ihr das umgesetzt?

Wir haben uns in der gfk vor ca. fünf Jahren neu orientiert und die Frage nach der Programmatik gestellt. Wie kann man sich – außer über Kulturveranstaltungen – kulturpolitisch positionieren und den Diskurs vorantreiben? Geht man dezentral in die Regionen raus? Daraus entstand die Initiative Kulturpolitik wagen, die von Alexander Starzer, Kathrin Quatember, Renée Chvatal und mir betreut wurde. Wir haben verschiedene Maßnahmen geplant, konzipiert und umgesetzt. Dazu zählten z. B. ‚kulturpolitische Rendezvous’, für die wir zu verschiedenen Initiativen gegangen sind und versucht haben, Diskussion und Austausch zu initiieren. Es gab im Rahmen der Corona-Krise eine Plakatkampagne zu verschiedenen Werten, die mit der Sozialdemokratie in Verbindung stehen, die aber auch kulturpolitisch eine große Tragweite haben. Dann gab es kulturpolitische Gespräche, Allianzen mit SPÖ-Funktionär*innen und intensiveren Austausch mit Funktionär*innen in den Gemeinden. Uns hat besonders interessiert, wie sich fortschrittliche, progressive Kulturpolitiker*innen gerade im ländlichen Raum positionieren: Was machen, wie arbeiten die? Ich bin dann in verschiedene Gemeinden gefahren und habe mich von Funktionär*innen ‚konsultieren’ lassen. Das war eine der Grundlagen für die Erstellung des Handbuchs.

Die primäre Zielgruppe waren also sozialdemokratische Funktionär*innen und Politiker*innen, mit dem Ziel, Bewusstsein für Kulturpolitik zu schaffen?

Ich hätte gesagt, zu 75 % ist es ein Handbuch für Kulturpolitiker*innen, die in der Sozialdemokratie engagiert sind, aber zu 25 % auch für außen: Es geht in erster Linie um den generellen Anspruch an eine fortschrittliche, progressive Kulturpolitik. Um Werte, die die Sozialdemokratie nicht alleine gepachtet hat: Was heißt z. B. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit oder Solidarität in der Kulturpolitik?

Kannst du das kurz ausführen?

Ich glaube, dass es vor allem wichtig ist, sich diese Grundwerte anzuschauen, zu diskutieren und in die eigenen Handlungspraxen zu integrieren. Zum Beispiel: Was bedeutet Solidarität im kulturpolitischen Handeln? Das heißt dann nicht nur, in der eigenen Bubble zu verharren, zu jammern und zu kritisieren, wie schlecht es den Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen geht, sondern Allianzen zu finden mit anderen prekären Berufen und Jobs, sich bewusst zu werden, dass es lange (gewerkschaftliche) Kämpfe gegeben hat, um Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Oder: Was heißt gerechtes Handeln in der Kulturpolitik? Geht es da um Verteilungsgerechtigkeiten und darum, wofür die KUPF OÖ seit Jahrzehnten kämpft: dass für die freie Szene, für regionale Kulturinitiativen mehr an Mitteln zur Verfügung stehen? Geht es um Gerechtigkeit im Sinn von sozialer Sicherheit – siehe die Fair Pay-Kampagne – dass Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen auf breiter Ebene fair bezahlt werden? Und auch das Thema Freiheit ist ein immer aktuelles, die Freiheit der Kunst, das Zulassen von Kritik, etc.

Bei der ÖVP OÖ ist Kulturpolitik bekanntlich Chefsache. Den Eindruck hat man bei der SPÖ eher nicht. Ist es euer Ziel, Kulturpolitik weiter oben zu verankern?

Aus Sicht der gfk und aus meiner persönlichen Sicht, ja, natürlich. Aus Sicht der handelnden Personen muss man schauen, wo deren Schwerpunkte liegen. Birgit Gerstorfer und Michael Lindner sind kulturaffine Persönlichkeiten, deren Spezialgebiet die Kulturpolitik aber nicht notwendigerweise war bzw. ist. Mit der neuen Kultursprecherin Sabine Engleitner-Neu, die Landtagsabgeordnete und auch Klubvorsitzende ist, gibt es schon eine gewisse Konzentration nach oben – und klugerweise auch noch in Verbindung mit ihrer Funktion als Menschenrechtssprecherin. Und dann möchte sich die ÖVP OÖ die Kulturpolitik natürlich auch nicht nehmen lassen. Da gibt es von vornherein keine Diskussion, wenn es um Ressortbesetzungen oder -verschiebungen geht. 

Möchte die SPÖ  über die Kulturpolitik die nächsten Wahlen gewinnen?

Das wäre vermessen, Wahlen gewinnt sicher nicht die Kulturpolitik alleine. Aber ich glaube, dass sie ein wesentlicher Bestandteil ist, um längerfristig als Partei Einfluss üben zu können. Kunst und Kultur sind essentiell, wenn es darum geht, dass man ein bestimmtes Rückgrat an Werten hat und diese – in einem nicht-missionarischen Sinn – weiterentwickelt.

Das Handbuch ist im Juni 2022 in einer Auflage von 1.500 Stück erschienen. Bestellungen per E-Mail an kulturpolitikwagen@gfk-ooe.at

Comic von Stephan Gasser.

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