Ware Liebe

All work and no play. So sieht der Alltag vieler Menschen derzeit aus. Denn spätestens seit der Pandemie ist klar, dass Arbeit und deren kapitalistische Verwertbarkeit wichtiger sind als dass – vorwiegend marginalisierte – Menschen psychisch und physisch gesund durch diese Krise kommen.  

Der daraus resultierende Überlebenskampf drängt die Themen Lust, Vergnügen und damit auch das, was uns als Menschen ausmacht, in den Hintergrund. Er erzeugt etwas, das in dieser Dimension derzeit besonders klar auffällt: Wir entfernen uns auf sehr vielen Ebenen voneinander, auch in intimen Beziehungen. Ehrliche, einfühlsame, gemeinschaftliche, solidarische Momente und Erlebnisse gibt uns das System nicht einfach so. Liebe wird zur Institution, Zärtlichkeit zum Mythos. Das ist angesichts der Omnipräsenz neoliberaler Strukturen, auf kleiner wie großer Ebene, wenig verwunderlich. 

Woran sich das erkennen lässt? Zum Beispiel an der Verkäuflichkeit von Freund*innenschaften und romantischen Partner*innenschaften in sozialen Medien. Etwa wenn Influencer*innen die Lebensgeschichten ihrer BFFs in pathetische Texte packen, um am Ende Pullis zu verkaufen. Wenn selbst engste Beziehungen zur Ware werden, und individuelles Schaffen wichtiger als Gemeinschaft wird, kategorisieren wir unser Umfeld in verwertbar oder eben nicht. Self Care ist schon lange wichtiger als Community Care. Wir reden uns ein, dass Abhängigkeit von anderen Menschen etwas zu Fürchtendes ist und übersehen dabei, wie überlebenswichtig Solidarität ist. Und wenn wir Solidarität leben, dann verkaufen wir sie auf Instagram. Da wird auch schnell mal die beste Freundin zum Produkt (wenn sie genug Follower*innen hat). Sie ist schließlich Girlboss, oder so.  

Wollen wir im Kleinsten gegen diese beängstigende Entwicklung arbeiten, müssen wir sie benennen. Und Liebe anders definieren – nämlich radikal solidarisch. Denn abhängig zu sein von Menschen und Momenten, die uns gemeinschaftlich guttun – auch auf materieller Ebene –, ist ein klares Zeichen gegen die neoliberale Doktrin: „Du kannst alles alleine schaffen, wenn du dich nur hart genug anstrengst“. Nein, das können die meisten von uns nicht. Vor allem jetzt nicht. 

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