»Keine Sorge – Wir sichern eure Unsicherheit«
Marty Huber über ein Projekt von maiz, Klub Zwei und Asylwerberinnen
Wer dieser Tage die Diskussionen um Integrationsbeweisfähigkeit analysiert, begreift schnell, dass eine (bestimmte) Sprache eine besondere Rolle spielen muss. Die Fähigkeit, sich der deutschen Sprache zu bemächtigen, wird einerseits zum einzig wichtigen Kriterium der Integrationsbeweisführung, andererseits darf diese Selbstaneignung nicht zu weit gehen. Dann wird die Mündigkeit schon mal gerne kleingeredet, verschwiegen, weggesperrt und zugeklebt. Die Dekonstruktion des Fremdenrechts-, Ausländer-, Integrations-, Interkulturdiskurses ist aber nicht – wie maiz seit Jahren beweist – eine Übung, die nur dem Selbstzweck dient, entwickeln sie doch daraus eine Form der Gegen-Grammatik, die sich gerade durch die Aneignung der oftmals verletzenden Sprache auszeichnet. Dies tut maiz auf unterschiedliche Weise, die Besonderheit liegt dennoch sicherlich im Versuch der Verschränkung von praktischer Deutsch-aneignung und künstlerischen, aktivistischen Projekten. Mit dem Künstlerinnenduo Klub Zwei (Jo Schmeiser und Simone Bader) verbindet maiz eine jahrelange Zusammenarbeit, die sich immer wieder durch die Form einer »Arbeit an der Öffentlichkeit« wie durch Interventionen im öffentlichen Raum auszeichnet. Mit reflektiert werden soll immer auch das Verhältnis von Mehrheitsangehörigen und Migrantinnen, und wie eine Zusammenarbeit unter den hierarchisierten Voraussetzungen überhaupt möglich ist. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die künstlerischen Produkte, die aus diesen Zusammentreffen entstehen, oftmals diese Geschichte der Verhältnisse, der strukturellen Gewalt miterzählen, einem strukturellem Rassismus, dem auch alle Beteiligten nicht entkommen. Mit »Keine Sorge – Wir sichern eure Unsicherheit
« setzen maiz und Klub Zwei diese Zusammenarbeit und Arbeit an einer Gegen-Grammatik fort. Schon mit »Terra Secura« beim Festival der Regionen 2007 prangte weithin sichtbar der Schriftzug »Wer genießt Sicherheit « vom Dach des Stiftes Kremsmünster in die idyllische Landschaft des Krems-tales. Die damalige Veröffentlichung der »Allgemeinen Erklärung der Ent-Sicherung« lässt schon die Bezugs- wie auch Angriffspunkte erahnen: Artikel 0 sagt in Anlehnung an Hannah Arendt »Alle haben das Recht, Rechte zu haben«, Artikel 1 im Gegensatz zur Menschenrechtsdebatte: »Alle genießen das Recht, nicht gleich zu sein.« Und Artikel 3 »Alle genießen die gleichen Rechte auf Un/Sicherheit.« Wie in vielen anderen Bereichen herrscht jedoch auch hier Verteilungsungerechtigkeit. Jede Fremdenrechtsnovelle, die sich im Schnitt alle 6 Monate abspielt, ist damit die angewandte Salami-Technik der Ent-Sicherung immer größer werdender Teile der Bevölkerung. Die Ausweitung der Ent-Sicherungszone trifft längst schon hier lebende Menschen, die nicht reich genug und /oder bildungsferner sind, denen in Zukunft eine dauerhafte Niederlassung erschwert werden wird. Gemeinsam mit den Asylwerberinnen Jatilie Bokanga, Elisa Kabamba, Patricia Maya, Christine Mbalayi und Anna Umarova beackern maiz und Klub Zwei zum wiederholten Male das dialektische Feld der Sprachaneignung abseits der »Teile und Herrsche« Polemik im Integrationsvereinbarungsdiskurs. Neben der Überarbeitung der Ent-Sicherungserklärung widmet sich die Gruppe in ihren Diskussionen dem Verb »auftauchen«. Im Gegensatz zu »untertauchen«, der Folge von Illegalisierung von Asylwerberinnen, steht das Verb »auftauchen« für eine Erhebung aus dem rassistischen Alltag, ein Auftreten aus der und gegen die Illegalisierung. Gemeinsam mit der Forderung »Sofortige Legalisierung aller Asylwerberinnen « wurde der Begriff des »Auftauchens« auf rot-weiss-rote Klebebänder angebracht und in den Sprachen Lingala, Französisch, Serbisch und Russisch produziert. Die Beteiligten sind sich sehr wohl bewusst, dass die Zusammenarbeit unter diesen Voraussetzungen der Illegalisierung auch im Kunst- und Kulturfeld keine einfache ist, aber auch hier geht es um das Begehren, aufzutauchen in dafür nicht vorgesehenen Territorien. In den weiteren Auseinandersetzungen mit dem Begriff Sicherheit wurden in Folge Sujets für Fahnen und Transparente produziert, die diesen Sicherheitsdiskurs sprachlich wie auch grafisch durchkreuzen. So wird das Wort Sicherheit mit den Wörtern »Wir gehen nicht« belagert oder mit dem Satz »Wissen Sie unseren Wunsch« erweitert, um den Machtlogiken einer Mehrheitssprache etwas auszuwischen und fortzuschreiben. Da, wo andere einen Punkt machen wollen, setzt maiz immer noch den Diskurs mit einem Beistrich fort. »Keine Sorge – Wir sichern eure Unsicherheit « ist Teil des Projektes »Wir gehen nicht!« und ist vom Innovationstopf der KUPF finanziert, das zweite Teilprojekt findet im Rahmen von »…by the way…«, einem Projekt des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum in der Steiermark statt. »Allgemeine Erklärung der Ent-Sicherung« siehe: www.klubzwei.at/EntSicherungsErkl.pdf