Linz ist eine Gefahr. Vor allem sich selbst. Anders sind die Hintergründe nicht zu deuten, die es offenkundig notwendig gemacht haben, schon ab 1. September 2010 eine neue Stadtwache einzurichten.
Die meisten Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner nehmen diese Neuerung schweigsam hin. Warum auch groß dagegen aufbegehren? Politik und Medien übererschlagen sich geradezu mit der Produktion von Schreckensszenarien, die hohe Verkaufsquoten verspricht und das Sicherheitsbedürfnis der Menschen zu einem populistischen Erfolg verwertet. George W. Bush konnte sich als Kriegsherr gut damit über Wasser halten, Italiens Berlusconi setzt mit großem öffentlichen Zuspruch auf diese Karte, warum sollen nicht auch die Neo-Pistoleros im Linzer Rathaus diesem Beispiel folgen?
Linz wird sich tatsächlich zur Gefahr, wenn sich niemand gegen eine Politik ausspricht, die schon so sehr im Stacheldraht einer autoritären Gesellschaft verfangen ist. Dabei hat gerade Linz noch vor kurzem ein Jahr als europäische Kulturhauptstadt abgefeiert, wobei die Befreiung aus dem Erbe des Faschismus eine vielfach betonte Rolle spielen sollte. Und was ist nun 2010 das Resultat? Der französische Gilles Deleuze hat schon sehr früh, gewarnt. “Es etabliert sich ein regelrechter Neo-Faschismus, anstelle einer Kriegspolitik und -ökonomie ist er ein weltweites Bündnis für die Sicherheit, für die Verwaltung eines ‚Friedens‘, der nicht weniger schrecklich ist“. Wenn also die KUPF mit dem Innovationstopf in diesem Jahr eben diese Feststellung problematisiert, entfernt sie sich nicht, wie Zeitungskommentare gelegentlich zu vermeinen glaubten, von den Grundfesten einer demokratischen Ordnung, sondern erhebt die Stimme gegen Demokratieabbau und die zunehmende Einschränkung verfassungsrechtlich garantierter Freiheiten.
Denn was ist ab September von einer Stadtwache zu erwarten? Die Allgegenwart von Aufsichtspersonal hat unweigerlich zur Folge, dass der öffentliche Raum noch mehr als zuvor mit der Logik der Gefängniswelt überzogen wird. Ein Blick hinaus über die Stadtgrenzen bestätigt diesen Trend bereits mannigfaltig. „Das Regime der Regel“, konstatiert Martin Mongin vom französischen Institut de démobilisation, “zu dessen Verbreitung die Wachleute beitragen, gefährdet die individuellen Freiheiten. Es führt dazu, dass die Menschen allzu schnell Autoritätsverhältnisse akzeptieren, gefügiger werden gegenüber den Manifestationen der Macht, ihr Verhalten der Norm anpassen und sich jede Form von Exzentrik und Extra versagen. Gleichzeitig aber schützt sich das Regime vor jeder Äußerung politischer Art sowie vor jedwedem Akt zivilen Ungehorsams, die seine Ausweitung behindern könnte.
Es ist in Linz sowie auch in Oberösterreich ein kulturpolitisches Gebot, sich der Ausweitung des Stacheldrahts zu widersetzen. Politische Kulturarbeit ist in einer Hausordnung nicht vorgesehen. Der Widerspruch hingegen weiß von deren Gefahr und stemmt sich gegen das uniformierte Regelwerk – als ein wertvoller Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft. Die KUPF sollte sich das von Stadt und Land vergolden lassen!
Martin Wassermair ist Historiker und lebt in Wien, www.wassermair.net