Einen offenen Brief an EntscheidungsträgerInnen im Kulturbereich in OÖ verfasste Nichtbürgerin Rubia Salgado .
Es wäre ein Euphemismus zu erklären, dass ich mich in dieser Rolle wohl fühle. Nein, es ist nicht angenehm – wie Sie wohl wissen – mit MachthaberInnen aus der Position der Nicht-Bürgerin in einem Kommunikationsprozess zu sein, denn – wie Sie ebenfalls wohl wissen – ist Kommunikation von Machtverhältnissen durchdrungen, und wo keine Symmetrie möglich ist – wie in unserem Fall –, werden die Spielregeln der Kommunikation von den Mächtigeren bestimmt. Aber, wie wir alle wissen, darf ihre Machtausübung nicht als absolut erscheinen und sie sehen sich daher verpflichtet, sich konträren Kräften in Kommunikationsprozessen zu stellen und darauf zu reagieren. In diesem Spielraum, der voller Spannungen ist, begegnen wir uns. In diesem Raum artikuliere ich mich als Nicht-Bürgerin aber in vollem Bewusstsein meiner Macht als Angehörige eines repräsentativen Teiles dieser Gesellschaft. Die Macht der Ausgeschlossenen – in unserem Fall der MigrantInnen – entsteht aus einem kollektiven Prozess des Sich-Bewusst-Werdens über die eigenen Potentiale.
Ein derartiger Prozess entfaltet sich seit einigen Jahren in Oberösterreich. Als MigrantInnen haben wir uns zuerst auf der Ebene des Sozialen organisiert, weil es um den Kampf um unsere primären Rechte geht. Folge der Organisation und des Zusammenseins war und ist – auch wenn nicht erwünscht – die Auseinandersetzung mit unserer Rolle in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, darunter besonders im Kulturbereich. Die Forderung nach Mitgestaltung als kritische ProtagonistInnen (und nicht mehr als Botschafterinnen exotischer kulturellen Ausdrucksformen) ist Ergebnis dieses Prozesses des sich bewusst werden über die eigenen Potentiale.
An dieser Stelle erlaube ich mir ein Zitat. Es handelt sich um ein Gedicht des brasilianischem Autors José Paulo Paes, das im Original ohne Titel geschrieben wurde und das ich hier so benennen möchte:
Die Ablehnung der Resignation Oder: Wider das Verzichten auf emanzipatorische Handlungen der trockene Wasserhahn (aber schlimmer: das Fehlen von Durst) das ausgeschaltete Licht (aber schlimmer: das Mögen der Dunkelheit) die geschlossene Tür (aber schlimmer: der Schlüssel drinnen)
Der Autor dieses Gedichtes erinnert uns daran, dass das resignative Verhalten, welches das Verzichten auf verändernde Handlungen impliziert, schlimmer als ein Wasserhahn ist, der uns kein Wasser schenkt.
Trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten, mit denen wir uns als MigrantInnen im Rahmen dieses Prozesses konfrontieren müssen, wage ich zu behaupten, und auch Sie werden mir Recht geben müssen, wenn Sie die Entwicklungen in OÖ aufmerksam beobachtet haben, dass eine repräsentative Anzahl von AktivistInnen mit Migrationshintergrund sich als Subjekte mit der Erprobung von alternativen Methoden des Widerstandes der Migrantinnen beschäftigen, wo Autonomie, Kreativität, Kunst, politische Mitwirkung auf der kulturellen Ebene sich im Aufbau eines neuen Sichtbar-Machens der Würde und des Protagonismus der MigrantInnen summieren.
Trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten wage ich zu behaupten, dass die Resignation abgelehnt und der Wasserhahn aufgemacht, das Licht eingeschaltet, der Schlüssel gedreht wird: Weil es sich um eine Praxis handelt, die Handlung zur Veränderung fördern will. Weil nach Prinzipien gehandelt wird, die MigrantInnen mit dem selbstbewussten Handeln verbinden. Weil wir als Subjekte unserer Geschichte handeln und als solche anerkannt werden wollen.
Trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten ist sehr viel passiert, und gerade deswegen wissen wir, dass im Sinn von Handlungen, die verändernde Wirkung haben wollen, noch viel passieren muss. An dieser Stelle beziehe ich mich auf eine Frage aus dem Fragenkatalog, den die KUPF an die Vorsitzenden der zum Landtag kandidierenden Parteien im Vorfeld der Wahlen übermittelt hat. Die erwähnte Frage lautete: „Die KUPF tritt für eine förderpolitische Bevorzugung von Kulturaktivitäten von MigrantInnen, auch abseits von Folkloredarstellungen, im Sinne einer positiven Diskriminierung ein. Wie steht Ihre Partei dazu?“
Die ÖVP positioniert sich (ebenfalls) gegen eine Bevorzugung anhand des Arguments, dass „ jede auch noch so begründete einseitige Bevorzugung zugleich inkriminierbare Defizite schafft“ und weist weiters darauf hin, „wer besondere Qualität mit einer positiven soziokulturellen Perspektive bietet, wird auch entsprechend unterstützt werden“. Die SPÖ behauptet, dass „die Förderung kultureller Aktivitäten von MigrantInnen ein wichtiger Bestandteil der geforderten kulturpolitischen Leitlinien sein muss.“ Die FPÖ positioniert sich gegen eine Bevorzugung und erklärt: „Kulturaktivitäten der ausländischen Kulturvereine sollen von diesen gesetzt werden und diese sollen auch gefördert werden“. Die Grünen erklären ihr Ziel, „die Dotierung eines eigenen Budgetansatzes ,Interkulturelle Kulturarbeit‘ im Kulturbudget zu fordern und durchzusetzen“. Die KPÖ hält eine besondere Förderung für wichtig, weist jedoch auf die Schwierigkeit hin, zwischen folkloristischen und emanzipatorischen Kulturformen zu unterscheiden.
Es könnte der Eindruck entstehen, dass – mit Ausnahme der FPÖ – bei den wichtigsten kulturpolitischen Repräsentanten – es handelt sich tatsächlich nur um männliche Repräsentanten, deswegen die männliche Form – dieses Bundeslandes bereits eine Sensibilisierung eingesetzt hätte und sie eine positive Einstellung gegenüber der Thematik Partizipation von MigrantInnen im Kulturbereich vertreten würden … Aber noch fehlt die Frage nach der Konkretisierung.
Diese Positionen werden den MigrantInnen bekanntgegeben, von Ihnen jedoch wird die Fortsetzung und Konkretisierung dieser Ansätze erwartet. Ein wesentlicher Aspekt, der die Seriosität der Konkretisierung dieser Ansätze betrifft, scheint den meisten Repräsentanten jedoch nicht von Bedeutung zu sein: die interkulturelle Kompetenz, um in diesem Zusammenhang über Qualität und positive Perspektiven zu urteilen und Schwerpunktsetzung und Förderrichtlinien im Sinn einer nachhaltigen Entwicklung formulieren zu können.
Allein die Grünen erwähnen diesen Aspekt und erklären, dass sie für „interkulturelle Kompetenz (MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund) in der Kulturdirektion, für Beratung, Betreuung und Entscheidungskompetenz“ eintreten werden. Dieser Brief neigt bereits dazu, sehr lang zu werden, deswegen versuche ich jetzt dem Ende entgegen zu kommen ohne auf Kontinuität zu verzichten. Diesem Brief werden andere folgen, das Thema interkulturelle Kompetenz wird sicher Inhalt von weiteren Auseinandersetzungen zwischen MigrantInnen und EntscheidungsträgerInnen im Kulturbereich sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Rubia Salgado