„A Frau is do net lustig …“

Willkommen im 21. Jahrhundert. Willkommen in Europa. Willkommen in Salzburg. Ein Einblick in die Kabarettszene von Katharina Pichler.

Gemischte Abende

Offene Kabarettbühnen erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit. Immer mehr Veranstalter*innen bieten Künstler*innen gemischte Abende an, damit diese Ausschnitte aus ihren Kabarettprogrammen präsentieren können. Hier ein Festivalauftritt, dort der nächste und es werden immer mehr. Mehr Möglichkeiten, mehr Konkurrenz, mehr Kolleg*innen.

Nach zehnjähriger Erfahrung im Veranstaltungsbereich und vielen Gesprächen mit Künstler*innen gibt es einen gemeinsamen Nenner in dieser so vielfältigen Branche: Männer. Männer dominieren in Österreich das Kabarettgeschehen. Männer werden für Festivals gebucht. Männer treten bei gemischten Abenden auf. Männer bekommen Soloauftritte und Männer sind die Moderatoren des Geschehens. Derzeit gibt es in Österreich ungefähr dreimal mehr Kabarettisten als Kabarettistinnen.

Die Gesellschaft

Die Frage, woran das genau liegen könnte, ist nicht leicht zu beantworten, obwohl sich viele richtige Antworten finden lassen. Zum einen ist es in Österreich immer noch großteils Aufgabe der Frauen, Kinder zu erziehen und für Kinder da zu sein. Dadurch gibt es jobtechnisch Nachteile. Zum anderen ist es oft leichter, Auftritte zu ergattern, wenn man jemanden kennt, der wen kennt, usw. Weiters ist es auch eine Frage der eingeübten Zuschreibung, die bereits im Kindesalter greift: Auch wenn sich Buben und Mädchen gleich verhalten, werden Buben eher als laut und lustig und Mädchen eher als schrill und hysterisch wahrgenommen. Zeiten mögen sich ändern, und viele Klischees verschwinden oder sind einem Wandel unterzogen. Aber von heute auf morgen ändert sich nichts.

Das Festival DIE KABARETT

Dennoch: Man kann selbst eingreifen und nachhelfen. Mit dem Festival DIE KABARETT gibt das kleine theater in Salzburg nun seit 2017 Frauen eine Auftrittsplattform. Es ist im Moment das einzige deutschsprachige Kabarettfestival nur für Frauen. Seit Anbeginn wird DIE KABARETT vom Frauenbüro der Stadt Salzburg koproduziert und hat zudem einen festen Platz im Veranstaltungskalender der Stadt Salzburg. Das Festival findet im Rahmen der jährlich ausgetragenen Reihe „Monat der Vielfalt“ an vier Tagen im Februar statt.

Wie jedes Festival entwickelt sich auch DIE KABARETT von Jahr zu Jahr weiter.
Die augenfälligste Veränderung betrifft wahrscheinlich den Untertitel: Aus DIE KABARETT. DAS FRAUENKABARETTFESTIVAL wurde bald DIE KABARETT. DAS FESTIVAL – um keine voreingenommene (Be-)Wertung auszulösen.

Hinter der Bühne

Neben den Auftritten der Kabarettistinnen ergibt sich aus dem Festival ein wunderbarer Nebeneffekt: Die meisten Teilnehmerinnen kennen sich nicht persönlich und lernen sich oft erst kurz vor ihrem Auftritt kennen, um das Setting zu besprechen. Daraus und aus den Gesprächen im Anschluss – mit Kolleg*innen, Mitarbeiter*innen des Theaters, Organisator*innen des Festivals etc. – bilden sich neue Freundschaften, neue Netzwerke und in Folge auch neue, gemeinsame Projekte.

Ein magischer Moment ist hierbei besonders in Erinnerung geblieben: Donnerstagabend, 7. Februar 2018. Birgit Süß und Katie La Folle eröffnen das dritte Festival, treten unabhängig voneinander auf. Weil es Backstage gefunkt hat, führen sie zum Abschluss der Festivaleröffnung gemeinsam eine Performance des Klassikers La Vie En Rose von Edith Piaf auf. Gänsehautstimmung auf, hinter und vor der Bühne!

Das ist allerdings nicht überall so: Gerade im Backstage-Bereich gibt es bei gemeinsamen Auftritten mit männlichen Kollegen noch immer unangenehme Erfahrungen für Frauen. 

Das Wagen einer Prognose

Nur weil es immer so war, muss es ja nicht immer so bleiben. Die Programmgestaltung in Kulturhäusern liegt in der Hand der Kulturtätigen. Sie können Diversität sichtbar machen und zum Beispiel entscheiden, eine Künstlerin anzufragen, weil sie ihre Arbeit schätzen – und nicht, weil sie eine Quotenfrau beim Kabarettfestival brauchen oder weil Gewicht und Erscheinungsbild der Künstlerin in die Erwartungshaltung dieser Gesellschaft passen. Ob sich mit der Frauenquote auch in der freien Kunst- und Kulturszene ernsthaft auseinandergesetzt wird und in den nächsten Jahren eine gleichberechtigte Programmschiene gefahren wird, wird sich zeigen. Das Bewusstsein dafür, so sollte man meinen, ist im 21. Jahrhundert da. Das Wissen und die Auseinandersetzung über die Vielfalt von Geschlechteridentitäten und sexuellen Orientierungen ist eigentlich sogar schon viel weiter, da wird es die Kabarettszene auch schaffen mitzugehen und mitzuwachsen.


Dieser Text wurde erstveröffentlicht in: GESAMTkabarettWERK – Österreichisches Kabarettarchiv

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