Andi Wahl im Gesräch mit der Integrationsbeauftragten des Landes OÖ, Josefine Staudinger.
Seit 2001 gibt es in Oberösterreich eine Integrationsbeauftragte für MigrantInnen im Rahmen des Sozialressorts von Landesrat Ackerl. Diese Stelle wurde nicht, wie man vermuten möchte, auf Drängen der EU eingerichtet, sondern geht auf einen Landtagsbeschluss aus dem Jahre 1991 zurück. Die Soziologin Mag. Josefine Straubinger, seit der Besetzung dieser Stelle im Oktober 2001 in der Position der Integrationsbeauftragten, sieht sich selbst als koordinierende Stabstelle für die Förderung von Integrationsmaßnahmen und zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit1. Im Gespräch mit der KUPF beklagt sie, dass es bisher nicht gelungen ist, strategische Maßnahmen zur Integration von MigrantInnen zu setzen.
KUPF: Kennen Sie alle fünf Strophen der oberösterreichischen Landeshymne ? Mag. Straubinger (lacht): Nein! Aber ich weiß, was Sie meinen. Es gibt immer wieder Spekulationen darüber, welche Fragen MigrantInnen, die sich um eine Staatsbürgerschaft bewerben, beantworten müssen. Ich war auch einmal, rein aus Interesse, bei einer solchen Befragung anwesend. Und glauben Sie mir, es sind wirklich allgemeine Fragen, die keinerlei Spezialwissen erfordern.
Ich habe auch nur gefragt, weil der heutige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl einmal eine solche Liste an möglichen Fragen formulierte. Dieser Fragenkatalog beinhaltete eben auch Fragen nach der Landeshymne und wie viele Blasmusikkapellen es in Oberösterreich gibt. Aber zu etwas Ernsthaftem: Wie groß sind die Ressourcen, die Sie für Aufklärung und Antirassismus zur Verfügung haben? Vorerst war die Besetzung der Koordinationsstelle nur mit einer Person vorgesehen. Der Förderbereich für Integrationsprojekte umfasst aber alleine rund 2 Millionen Euro jährlich. Dazu kommt noch ein EU-Integrations-Projekt mit einem Umfang von rund 1,8 Millionen Euro und eine Reihe von weiteren Projekten, an denen ich ebenfalls mitarbeite. Da aber weiters geplant ist, ein Gesamtkonzept zur Integration in Oberösterreich zu erstellen, das alle gesellschaftlichen Bereiche wie Sprache, Arbeitsmarkt, Kultur, Gesundheit, Religion, Schule, Kindergarten, Altenpflege usw. umfassen soll, hat sich schließlich gezeigt, dass eine Person für die anfallende Arbeit absolut nicht ausreicht. Daher wurde mittlerweile der Personalstand auf 2,5 erhöht. Wie gesagt, der Nachholbedarf an Integrationsmaßnahmen ist immens. Aus der Kulturabteilung kennen wir das Problem, dass der für die autonome Kulturszene zuständige Beamte immer wieder mit Zusatzaufgaben betraut wird, die ihn bei der Weiterentwicklung seines eigentlichen Aufgabenbereiches stark behindern. Hier ist es ähnlich. Aber ich denke, dass wir erst am Beginn sind und doch schon einige Erfolge aufweisen können.
Integration wird oft als gleichberechtigte Einbeziehung in alle Lebensbereiche unter Wahrung der eigenen Identität definiert. Dieser Gleichberechtigung steht aber die sich zusehends verschärfende Ungleichbehandlung ausländischer Menschen durch die österreichische Gesetzgebung entgegen. Gehört es zu Ihren Aufgaben, hier auf Veränderungen zu drängen? Zum Drängen komme ich derzeit kaum, weil sich in der Legistik ohnedies ständig etwas ändert. Ich muss schon froh sein, dass ich rechtzeitig fundierte Stellungnahmen zu den bestehenden Gesetzesentwürfen abgeben kann.
Nach welchen Gesichtspunkten prüfen Sie solche Gesetzesvorlagen? Zuallererst orientiere ich mich an den Menschenrechten. Das muss die Grundlage jeder Gesetzgebung sein. Weiters achte ich bei finanziellen Bestimmungen darauf, dass sich nicht die Mentalität breit macht, dass es MigrantInnen in den Herkunftsländern ja auch nicht so gut ginge und sie daher mit einem Minimum auskommen müssten. Denn an sich sind wir ja eines der reichsten Länder in der EU und die Menschen, die zu uns kommen, sollten menschenwürdig untergebracht werden. Es ist aber so, dass die Bundesbetreuung manche Menschen von vornherein gar nicht aufnimmt, wie etwa Nigerianer oder Georgier. Das finde ich menschenverachtend!
Wie wird das begründet? Es gibt keine offizielle Begründung zu diesem Erlass des Innenministeriums. Inoffizielle Aussagen begründen diese Vorgangsweise mit falschen Angaben zur Identität, andere, dass Nigerianer für generell gewalttätig gehalten werden. Das deckt sich mit einer allgemeinen Stimmung in Österreich. Aus Wien weiß ich, dass sich dort viele Schwarzafrikaner kaum noch mit der U-Bahn fahren trauen. Denn, sind sie nicht schön angezogen, werden sie für Drogenabhängige gehalten und sind sie schön angezogen, dann hält man sie für Drogendealer. Von der Anlaufstelle gegen Rassismus wurde mir auch gesagt, dass viele Menschen nicht einmal mehr wollen, dass rassistische Übergriffe verfolgt werden, weil sie die Konsequenzen fürchten.
Angesichts der sich verschärfenden Rechtslage und des, wie viele Menschen sagen, sich weiter entwickelnden Staatsrassismus – schämt man sich da Österreicherin zu sein, wenn man das alles so hautnah mitbekommt? Nein, soweit ist es noch nicht. Ich bin mit dieser Entwicklung jedoch nicht einverstanden. Das ist Österreich nicht würdig, denn hier wird teilweise der Boden der Rechtsstaatlichkeit und auch der Boden der Menschenrechte verlassen. Dabei sollte der Westen doch ein Vorbild sein für die Länder, aus denen viele Migrantinnen und Migranten kommen.
Gibt es so etwas wie ein persönliches Resümee, das Sie nach zwei Jahren Integrationsbeauftragte ziehen können? Es gibt vieles, das ich in diesen zwei Jahren entdeckt und bemerkt habe. Vor allem einmal, dass es einen enormen Informationsnotstand gibt. Für viele Menschen ist Integration einfach kein Thema. Es gibt ja viele Gegenden, auch in Oberösterreich, wo es fast keine Ausländer gibt. Da muss man immer aufpassen, dass man nicht zuviel fordert, weil man die Leute damit mehr verschrecken würde, als sie positiv zu stimmen. Ich sehe das in vielen Diskussionen, auch in meinem Bekanntenkreis. Wenn man auf die oft erschreckend schlechte Lage von Migrantinnen und Migranten hinweist, kommen viele Argumente, die einfach so in der Zeitung stehen. Die habe ich auch schon von Kollegen gehört. Die sagen: „Das weiß man doch, dass die Hälfte der Ausländer kriminell ist.“ oder „Die Hälfte der kriminellen Delikte gehen auf das Konto von Ausländern“. Das ist doch lächerlich! Ich habe mir extra die Kriminalstatistik schicken lassen, um diesen Argumenten fundiert begegnen zu können. Je schlechter die Leute informiert sind, desto mehr beziehen sie ihre Meinungen aus Vorurteilen. Daher unterstütze ich auch neben den Bildungs- und Arbeitsmarktinitiativen viele kulturelle Aktivitäten, weil ich hoffe, dass Menschen dadurch zum Denken und zur Beschäftigung mit dieser Problematik angeregt werden. Es kommen auch viele Lehrer zu mir, die mir „beichten“, dass sie zu diesem Thema keine oder viel zu wenig Informationen haben – obwohl sie oft selbst Ausländerkinder in der Klasse haben. Aber es gibt oft auch – und das ist noch erschreckender – Menschen mit einem relativ hohen Bildungsstand, die eigentlich Zugang zu vielen Informationen haben, die trotzdem auf Vorurteilen und teilweise rassistischen Ansichten beharren. Ich versuche den Menschen immer auch klar zu machen, dass Zuwanderung nach Österreich einfach eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit ist, nicht nur in bezug auf fehlende Arbeitskräfte. Wir haben jetzt schon Bundesländer, die trotz Zuwanderung eine negative Bevölkerungsentwicklung haben. Da kracht es natürlich dann im Pensionssystem und bald auch im Gesundheitssystem. Die Aufnahme von Menschen ist also durchaus auch im Interesse von uns Inländern. Und wenn man Zuzug hat, dann muss man den Menschen auch faire Chancen geben, sich zu integrieren, da sonst ein unnötiges Konfliktpotential entsteht. Wenn zumindest das die Mehrheit erkennen könnte, dann wären wir schon einen gehörigen Schritt weiter.
Danke für das Gespräch.
1 Eine Studie, die in den Staaten der Europäischen Union durchgeführt wurde, hat ergeben, dass sich 42% der Österreicherinnen und Österreicher selbst für sehr oder ziemlich rassistisch halten.
Andi Wahl