Sparschweine außer Rand und Band

Das vielbeschworene Nulldefizit ist weniger ein ökonomisch sinnvolles Ziel als vielmehr ein Instrument zum Abbau des Sozialstaates und der Repression, meinen kritische ÖkonomInnen.

von Franz Fend

Glaubt man der Regierung, so sollte kein Österreicher mehr ruhig schlafen können. So überbordend und alles erdrückend sollen die Schulden des Staates Österreich sein. Was will uns die Regierung da erzählen? Offenbar werden die Staatschulden bewusst dramatisiert, um bei breiten Teilen der Bevölkerung eine Opferbereitschaft für neue Belastungen zu erzeugen. Es gibt kaum jemanden mehr, der nicht Nulldefizit als erstrebenswertes Ziel erachten würde. Die Spargesinnung hat sich soweit durchgesetzt, dass alle glauben, etwas zum Erreichen des Nulldefizits beitragen zu müssen. Jeder noch so harte Sparschnitt wird von breiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert. Und das obwohl die Wirtschaft boomt, die Profite in ungeheuerliche Höhen steigen.

Einer Stimme, die nicht dem allgemeinen Sparfieber anheimgefallen ist, sollte man besondere Beachtung schenken. Der ãBeirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische AlternativenÒ (BEIGEWUM), ein Zusammenschluss von kritischen SozialwissenschafterInnen hat mit dem Buch ãMythos Nulldefizit Ð Alternativen zum SparkursÒ ein Werk vorgelegt, das weit über die gängigen Kritiken der blauschwarzen Budgetpolitik hinausgeht. Die Budgetpolitik wird nicht ausschließlich als monetärer Selbstzweck verstanden, sondern der gesellschaftspolitische Hintergrund wird hervorgehoben: ãDer (Budget)Diskurs wird zu einem Mittel der Gesellschaftspolitik. Bei aller Sparfreude, zu der die Bevölkerung durch alarmistische Agitation getrieben wird, darf nicht übersehen werden: Wer sich auf die Budgetsanierungs-Rhetorik einlässt, kauft damit auch andere Inhalte, die aus emanzipatorischer Sicht jedenfalls unerwünscht sindÒ, heißt es darin. Damit kann keineswegs die akute Regierung alleine gemeint sein, die den Sparwahn zwar auf die Spitze treibt, Sparpakete haben uns aber die vorigen Regierungen ebenfalls beschert.
Ziel der Kampagne gegen das Budgetdefizit sei die Verwettbewerblichung aller Lebensbereiche. Dies sei nur möglich, wenn sämtliche wirtschaftspolitischen Instrumente aus dem Einflussbereich demokratischer Entscheidungen entfernt werden. Weiters sei dieser Anti-Defizit-Kurs ein Mechanismus zur Konstruktion sozialer und politischer Hegemonie. Die wachsende Konkurrenz fördere durch die ãSanierungspolitikÒ rein individuelle Strategien und untergrabe gleichzeitig die Bedingungen für kollektives Handeln.
Die Null-Defizit-Politik der Regierung zeige ein eindeutiges parteipolitisches Profil und begünstige eindeutig die eigene Klientel. Es ist ein großangelegtes Programm der Umverteilung von unten nach oben.

Die gesellschaftspolitischen Hintergründe der akuten Budgetpolitik zeigen sich besonders auf dem Feld der Frauenpolitik, die durch eine reaktionäre Familienpolitik ersetzt worden ist. Andererseits führen die Regierungsmaßnahmen dazu, dass die Verteilungsungleichheit zwischen den Geschlechtern weiter zu Ungunsten der Frauen verschoben wird und bestehende Geschlechterhierarchien weiter zementiert werden.
Ein anderes Kapitel macht deutlich, wie Budgetpolitik als Zensurinstrument eingesetzt wird und mit der Keule des Sparzwanges massiv gegen unliebsame Vereinigungen, Initiativen und gesellschaftliche Gruppen vorgegangen wird. Mit den Einsparungen beim Zivildienst beispielsweise sollen einerseits die Stahlhelmfraktionen der Regierungsparteien bedient werden, zum anderen kann bequem eine ganze Reihe von Trägereinrichtungen getroffen werden. Oder bei den Freien Radios: Im Sommer mussten die ersten nichtkommerziellen Radios (drei Volksgruppenradios) den Betrieb einstellen. Eingespart wurden irrelevante fünf Millionen Schilling. Auch hier wurde der Budget-Diskurs benutzt, um gegen unliebsame Medien vorzugehen. Ebenso sind die Einsparungen beim Postzeitungsversand dazu gedacht, regierungskritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Von den Kürzungen im Kulturbereich gar nicht zu reden.

Der BEIGEWUM hat aber nicht nur eine präzise Kritik der Budgetpolitik der Regierung entwickelt, sondern auch Alternativen einer emanzipatorischen Budget- und Gesellschaftspolitik entwickelt. Das erschöpft sich nicht darin, dass eine Umverteilung der Steuerlast und ein Ausbau des Sozialstaates gefordert wird, sondern weist als Ziel die Demokratisierung des Budgetprozesses insgesamt aus.
Oliver Machart hat den BEIGEWUM einst als alternatives Finanzministerium vorgeschlagen. Das vorliegende Buch beweist, dass dieser Vorschlag durchaus Sinn machen würde.

BEIGEWUM, Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen
Mythos Nulldeffizit Ð Alternativen zum Sparkurs
Verlag: Mandelbaum Wien 2000;
 

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