Provokationshoheit

Auf die Frage, wieso das Dekret zum Einreiseverbot für MuslimInnen ausgerechnet an einem Freitag in Kraft tritt, wo die meisten Reisenden unterwegs und folglich die meisten DemonstrantInnen zu erwarten sind, soll Trumps damaliger Chefberater Steve Bannon folgendermaßen geantwortet haben: Eben genau darum. Damit die Gutmenschen zu den Flughäfen fahren und randalieren. Denn um die Linke zu bezwingen, muss man sie in den Wahnsinn treiben. So jedenfalls schildert Michael Wolff das Kalkül des Kommunikationsstrategen und vormaligen Chefredakteurs des ultrarechten Newsblogs Breitbart.

Diese Zwickmühle kommt uns bekannt vor. Die ungeheuerlichen Umdeutungen der Realität, mit denen Medien wie Breitbart die menschenrechtswidrigen Zumutungen rechter und rechtsextremer Politik begleiten, funktionieren in zwei Richtungen. Einmal dienen sie der Verhetzung und Verblendung der eigenen WählerInnen und erzeugen Hass. Zudem funktionieren sie als Provokation der Opposition, die durch ständiges Reagieren müssen beschäftigt gehalten wird. Auf Facebook und Twitter kocht Empörung im Minutentakt hoch, der Plan geht auf. Wie aber kommen wir von der Reaktion wieder in die Aktion? Provokation als Treibstoff für Veränderungen war einmal eine linke Strategie. Sie hat wesentlich zur Liberalisierung und Öffnung der Gesellschaft beigetragen, den Finger auf Wunden gelegt und einst die Rechten unter anderem damit beschäftigt, Stallmist vor dem Burgtheater auszukippen. Damals waren sie es, die reagierten, wenn sie gegen die Aufführung von Thomas Bernhards Heldenplatz protestierten oder sich an Elfriede Jelinek, Hermann Nitsch oder Herbert Achternbusch abarbeiteten. Da mittlerweile Aktion und Reaktion die Plätze getauscht zu haben scheinen, freut jedes Lebenszeichen fortschrittlicher Provokation. Seien es die Diversität feiernden Sujets, mit denen die ÖBB neuerdings ihre Familien-Vorteilscard bewirbt oder die unaufgeregt kluge Reaktion auf das Schäumen der FPÖ über Wolfgang Ambros’ Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Die Diskussion darüber, ob „Schifoan“ das richtige Lied für die symbolische Solidarisierung mit Ambros war, ist müßig. Angesichts des herrschenden Sicherheitsdiskurses wäre sowieso ”Da Hofa” die bessere Wahl gewesen.

Beschäftigen sollte uns jedoch eher, dass Bannon, der sich Anfang dieses Sommers unter anderem mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und dem italienischen Innenminister und Neofaschisten Matteo Salvini getroffen hat, an einer europäischen Version von Breitbart bastelt. Wir werden kluge und kreative Antworten brauchen, um uns die Provokationshoheit zurückzuholen.

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