Schau auf dich, schau auf mich!

Auch wenn ihn viele nicht mehr hören können: Es ist ein an sich schöner Slogan. Er appelliert an Solidarität und Eigenverantwortung. Ein bisschen „liebe deine Nächsten wie dich selbst“ steckt drin. Und er taugt nicht zuletzt als Handlungsanweisung zum Verhalten in Begegnungszonen. 

Acht Millionen Euro hat die Regierung ausgegeben, um ihn großflächig zu plakatieren, im Radio ertönen zu lassen und via TV zu verbreiten. Einen Gesellschaftsklimawandel hat er trotzdem nicht bewirkt. Dabei war im März und April noch viel die Rede von Solidarität und neuem Zusammenhalt. Nachbar*innen, die einander bis dahin ignoriert hatten, kamen ins Gespräch. In vielen Häusern hingen Zettel, die Hilfe im Alltag offerierten. Doch obwohl das Thema die Medien dominierte, war die Informationslage unbefriedigend und das Bedürfnis nach Austausch und vertrauenswürdigen Nachrichten dementsprechend groß. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk schwelgte im Quotenhoch. Das, was gesendet, gedruckt und ins Netz gestellt wurde, war allerdings wenig aufklärend und dementsprechend kaum geeignet, den Informationshunger zu stillen. Ein Verlautbarungsjournalismus ersetzte das Seriositätsgebot auch ernstzunehmender Medien. Es wurde unhinterfragt verbreitet, was die Regierenden in ihren täglichen Pressekonferenzen von sich gaben. Und da war leider nichts Ermächtigendes dran. Stattdessen dominierte eine Mischung aus Ankündigungen, Anordnungen und oft recht widersprüchlichen Verboten. Lieber nicht ins Kino oder ins Theater, monatelang auch ja nicht demonstrieren, aber hochsubventionierte Flugreisen absolvieren. Das demokratieferne Marketing vermittelte: Haltet still und glaubt an uns, dann wird alles gut. Der infantilisierende Babyelefant passt hervorragend in dieses Szenario.

Wer an die Kernaufgabe des Journalismus erinnerte und trotzdem kritische Fragen stellte, wurde mit dem – im Wortsinn – Totschlag-Argument vom Feld gejagt, dass Widerspruch Menschenleben gefährde. Die Artigen hingegen, die wurden mit reichlich Sonderförderungen bedacht. Und so flanieren wir und die bedauernswerten Elefanten nicht fröhlich in Begegnungszonen, sondern irren gemeinsam durch unübersichtliche Schilderwälder. Großzügiges Ausholzen wäre angesagt. Dann hätte der Aufruf zur Achtsamkeit, der in „Schau auf dich, schau auf mich!“ steckt, vielleicht eine Chance, wirksam zu werden.

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