Kulturarbeit am Land gegen Rechts?

Der Rechtsruck schreitet in ländlichen Regionen besonders rasant voran. Kulturinitiativen fungieren in diesem Kontext oft als Oasen für progressiv denkende Menschen. Doch wie könnten sie über die Rolle des Rückzugsortes hinauswachsen, um dem vorherrschenden politischen Klima etwas entgegenzusetzen?

Es gibt erstaunlich wenig Forschung über Entwicklung und Kontinuitäten des Rechtsrucks am Lande. Besonders bildhaft für die Erzählung über den Rechtsruck am Land war ein Detail der Wahlberichterstattung zur Bundespräsidentenwahl 2016. In der Darstellung der Wahlergebnisse war die Landkarte Österreichs im Blau des Kandidaten der FPÖ, Norbert Hofer, eingefärbt. Es blitzten lediglich ein paar grüne Inseln auf, die mit den urbanen Regionen übereinstimmten, in denen Alexander Van der Bellen die Mehrheit errang. Diese politische Stadt-Land-Polarisierung wurde bereits im Vorfeld der Nationalratswahl von rechter Seite instrumentalisiert. Der ländliche Raum wurde als heile Welt inszeniert, in welcher die angestrebte Re-Traditionalisierung des Sozialen und Kulturellen vom jetzigen türkis-blauen Regierungsprojekt längst ihren authentischen Ausdruck findet. Dieser Idylle wurden die urbanen Regionen, allen voran das Rote Wien, als sittenlose Hochburgen des „Multi-Kulti Wahns“ und des „Genderismus“ entgegengesetzt. Auch die extreme außerparlamentarische Rechte in Form der „Identitären“ wollte sich die Dominanz konservativer Werte in den ländlichen Regionen zu eigen machen und organisierte eine Reihe von Stammtischen in den Bezirkshauptstädten, die durchaus Zulauf fanden.

Nichtsdestotrotz gelingt es den Rechten und neoliberalen Kräften mit ihrer Ideologie der Konkurrenz, Spaltung, Ausgrenzung und Profitorientierung nicht nur das Parlament zu dirigieren. Sie stützen ihre Vormachtstellung vor allem auch auf das Alltägliche, Zwischenmenschliche und Kulturelle. Im Kulturellen scheint dies vor allem durch eine zunehmende Einflussnahme vorbereitet zu werden. Wesentliche Elemente in der türkis-blauen Kulturstrategie sind Marktorientierung von Kunst und Kultur sowie eine Neu-Definition des Kulturbegriffs, der eine Stärkung der kommerzialisierten Volkskultur propagiert. Dies geht zum Beispiel aus dem aktuellen türkis-blauen Regierungspapier (Agenda 22) der Grazer Stadtregierung hervor. Diese Beobachtungen könnten als Vergewisserung einer altbekannten Weisheit dienen: Das kulturelle Feld ist von großer Bedeutung, wenn dem stetigen Rechtsruck etwas entgegengesetzt werden soll. Aber wie könnte eine Gegenbewegung, eine progressive Gegenhegemonie, vor allem aus der Perspektive von kritischer Kulturarbeit in ländlichen Regionen, aussehen?

Progressive Kulturinitiativen als Möglichkeitsräume

In Zeiten wie diesen, in denen alternative, progressive und weltoffene Meinungen immer mehr unter Druck geraten und in vielen ländlichen Regionen marginalisiert sind, stellen progressive Kulturräume, etwa Clubs, Galerien, Kulturzentren oder Jugendkulturinitiativen, wichtige Orte des Austausches, der Stärkung und der Begegnung dar.
Ihre politische Schlagkraft liegt neben der inhaltlichen Ebene vor allem darin, dass in ihnen eine Kultur der Solidarität erprobt und vorgelebt werden kann. Auf der Ebene der Beziehungsweisen, in der Form wie sich Menschen begegnen, aufeinander beziehen und wie sie aufeinander zu- und eingehen, können sie einen Gegenpol zur sozialen Kälte dieser Tage schaffen. (Bini Adamczak, Beziehungsweise Revolution, 2017) Eine politische Wirksamkeit darüber hinaus können sie jedoch erst dann entwickeln, wenn sie keine geschlossenen, selbstreferenziellen Echoräume und Szenezusammenhänge bleiben. Sie müssen sich bemühen, den Kreis der Menschen, der von ihnen profitiert, stets zu erweitern und Raum zu schaffen, der ein Aufeinander-zugehen ermöglicht. Im ländlichen Raum gibt es besondere Anforderungen an solche Begegnungsräume. Soziale Isolation funktioniert am Land oft anders als jene der städtischen Vereinzelung. So sind soziale Netzwerke zwar oft dichter als in der Stadt, jedoch auch träge und verkrustet.

Kulturräume als Fährtenleger*innen

Ein ständig wachsendes Zielpublikum für rechtspopulistische Demagogie stellen Jugendliche dar. Die vielerorts bestehende Leerstelle „alternative Jugendkultur“ wirkt sich auf den Rechtsruck am Land aus. Die in den 1990er Jahren noch sehr plurale und aktive Jugendzentrumsstruktur in Österreich, die auch stark in den ländlichen Raum hineinwirkte, droht mehr und mehr zu verschwinden. Dies ist schmerzlich: In jungen Jahren mit alternativen Kulturformen in Berührung zu kommen und vor allem sich selbst darin auszuprobieren, kann wichtige Fährten für eine fortschrittliche, politische Bewusstseinsbildung legen. Schön illustriert wird diese Dynamik in dem vor kurzem erschienenen Dokumentarfilm über das Röda Steyr: „Jedem Dorf sein Underground“.

Diese Potentiale sind und bleiben abstrakt. Für konkrete Fragen wie „Wie können Angriffe auf die kulturelle Förderlandschaft etc. abgewehrt werden?“ bieten sie wenig Antworten. Sehr wohl können die Potentiale des Fährtenlegens und der Möglichkeitsräume als Plädoyer verstanden werden, alternative Kulturräume sichtbar zu machen, sie zu vernetzen und zu stärken. Denn eine Gegenhegemonie im kulturellen Feld am Land ist nicht das Allheilmittel gegen den Rechtsruck, aber zumindest ein wichtiger Baustein im Widerstand dagegen.

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Weiterführende Links:

Interview über die schwarz-blaue Kulturstrategie mit Yvonne Gimpel (IG Kultur Österreich) in KUPFzeitung #166

Reportage über die Facetten des Rechtsrucks am Land im Kontext der Bundespräsidentschaftswahl im Der Standard

Überlegungen von Politikwissenschaftler Oliver Machart zu Kunst und Gegenhegemonie für EIPCP

Dokumentarfilm über das Röda Steyr in The Gap

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