Unter dem Motto „Take Over“ holt der Kultur verein waschaecht Künstler*innen nach Wels und regt zur Auseinandersetzung rund um Geschlechterungleichheiten im Kulturschaffen an. Zwei der eingeladenen Protagonist*innen, Birgit Michlmayr und Petra Schrenzer, Musiker*innen und Musik- Label-Betreiber*innen, im Gespräch über Frauen*, Politik und Solidarität.
In Wels findet heute die erste unrecords Night statt — im Rahmen einer Reihe, die sich „Take Over“ nennt — nach der Textzeile: „Woman of the World, take over‚ because of you don’t the world will come to an end and it won’t take long“. Wie geht es euch, wenn ihr dieses Zitat hört?
Birgit Michlmayr: Wir sind ja bewusst ein queer-feministisches Label. Das heißt, ich glaube, es geht nicht darum, dass nur «Women» die Weltherrschaft erkämpfen sollten, sondern, dass alle Menschen dieselben Möglichkeiten haben und gleich behandelt werden sollten. Es geht also nicht nur um Männer und Frauen – überhaupt gibt es ja auch nicht nur Männer und Frauen – sondern auch darum, von diesem Mehrheits-Österreicher*Innen-Ding wegzukommen. Aber grundsätzlich bin ich dafür, dass die Welt mehr von anderen Menschen beherrscht wird, wie man so schön sagt.
Petra Schrenzer: Oder zumindest «Women*» sollte es heißen. * meint viele Identitäten, Trans-, Inter-Identitäten usw. Zum Zitat ist mir spontan als allererstes eingefallen, dass Kurt Cobain gesagt haben soll, dass die Zukunft der Rockmusik bei den Frauen liegt. Das ist uns schon ein Anliegen, vor allem Frauen* auf die Bühne zu bringen.
Michlmayr: Und was die pessimistische Weltsicht betrifft: Ja, leider ist es immer wieder schwierig, optimistisch zu bleiben. Gerade wenn wir jetzt in Wels sind und bald in Wien auch Wahlen stattfinden. Ich finde, dass manchmal unsere «Ängste und Sorgen» von der Politik zu wenig ernst genommen werden.
Was sind eure Ängste und Sorgen?
Michlmayr: Meine Ängste und Sorgen sind, z. B. in Bezug auf die Gleichberechtigung von Geschlechtern, dass es eine Zeit lang Fortschritte gegeben hat, es aber eigentlich schon wieder sehr viel schlechter wird. Besondere Ängste sind auch, dass Rassismus und Ausländer*Innenfeindlichkeit noch präsenter werden und von allen Seiten viel zu wenig dagegen getan wird. Man merkt, dass es generell rauer wird, z. B. auch in Bezug auf Homophobie. Trotzdem ist Wien noch ein angenehmes Umfeld – im Vergleich zu vielen anderen Orten.
Wenn wir uns an eine Johanna Dohnal erinnern, die sich vor Jahrzehnten für Frauenquoten einsetzte und uns dann aktuell Wertestudien ansehen, nach denen Jugendliche sehr konservative Werte verinnerlicht haben: Welchen Stellenwert hat Feminismus in der Gesellschaft derzeit? Haben wir den Höhepunkt des Feminismus überschritten?
Schrenzer: Von Höhepunkt möchte ich nicht sprechen, weil ich hoffe, dass in unserer Lebensspanne und darüber hinaus noch viel passieren wird. Zu Johanna Dohnal: Das waren auch politisch andere Zeiten. Die Sozialdemokratie war stärker, gewisse – eher links geprägte Werte – hatten noch einen anderen Stellenwert. Ich finde jetzt, wo der Kapitalismus schon zur Normalität geworden ist, wird überhaupt alles schwammig. Diese großen Strömungen, die stark sozial sind – damit meine ich auch wirklich einfach menschenfreundlich und nicht menschenfeindlich, ganz grob – gibt es nicht, auch wegen dieser Zerbröselung und Vereinzelung, die der Kapitalismus bringt. Wir in unserem Bereich arbeiten – durchaus prekär – vor uns hin, man kann das auch kämpfen nennen, aber ich fühle mich nicht als Teil einer großen Bewegung. Natürlich ist man z. B. in Wien in einer Szene und spürt das, aber von politischen Ämtern getragen werden solche Ideen nicht und da fühlt man sich dann schon einsam.
Michlmayr: Wir leisten unseren kleinen Beitrag. Aber auch der Feminismus kommt immer wieder wellenmäßig. Also darf man es nicht so pessimistisch sehen, dass alles auf einmal den Bach runtergeht, sondern es kann dann wieder etwas Neues entstehen. Genauso wie jetzt: Obwohl einerseits die Rechtsextremen wieder einmal einen extremen Aufwind haben, sieht man andererseits, gerade in Wien, viel Solidarität, mit Flüchtlingen. Da merkt man, dass das wirklich breit ist – obwohl sicher nicht breit genug – und, dass Solidarität ansteckend ist. Das ist schön zu sehen.
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Tamara Imlinger ist Musikerin, Vermittlerin und Mitarbeiterin der KUPF und hat das Gespräch geführt.
Das Interview ist erstmals erschienen im Magazin REIZEND! #11, Wels, November 2015.
→ reizend.or.at
Das gesamte Interview online nachhören unter
→ cba.media
Alle Termine der Reihe „Take Over“
→ waschaecht.at
Foto: Michael Losehand.
Im Bild: Birgit Michlmayr (First Fatal Kiss, Mutt/Mayr/Hackl, Mayr u.a.) und Petra Schrenzer (Petra und der Wolf, Mutt/ Mayr/Hackl feat. Schrenz) betreiben gemeinsam mit Johanna Forster und Aurora Hackl Timón seit 2012 das queer-feministische Musik-Label unrecords.
→ unrecords.me