Rock ’n’ Roll

Die Welt, wie sie Harry Gebhartl in seinem Romandebüt „Fett“, zeichnet, ist gefährlich. Ein unwirtlicher Ort. Ein fürchterlicher Ort. Swar kalt, swar Nacht, swar nass, swar Regen.

Der in seinem ersten Leben schwer gebeutelte Salbenspezialist Gelatina di Frutta sieht sich einer ausserirdischen Verschwörung auf der Spur. Menschenjäger und Menschenfresser in Hollywod-Verkleidung, unter ihnen Georgie W. Bush vom Planeten Dart (Nebenmond von Dut), veranstalten weitgehend unbeachtet mörderische Schnitzeljagten auf der Erde. Der, wie die allermeisten Figuren, schwergewichtigte Frutta, verarbeitet diese kurzerhand (teilweise) zu Heilsalbe für die bereits Angefallenen und Attackierten. Die solcherarts verstümmelten Leichen werden ausserdem noch grotesk beschriftet: „Adios, Oma Ohrenlos“.

In seinen Gedankenflügen als „Käptn Kommander Kirk Super-Gelatina“ ist Frutta ein Held und Freiheitsämpfer „gegen reaktionäre Sentimentalität, gegen diesen ganzen moralischen Schmutz“. Für die im Roman durchwegs sadistischen Kriminalisten, die aufgerührte Öffentlichkeit und die (korrupte) Presse ist Frutta allerdings der verhasste „Teufelspoet“.

Die Story des Romans, sofern man sie fürs Vergnügen überhaupt zur Gänze verstehen muss, ist wahrlich bizarr und im allerbesten Sinne an den Haaren herbeigezogen, die Protagonisten ungustiös und überzeichnet. „Weit und breit kein einziger Symphatieträger. Aber wer Gebhartls Arbeit kennt, hat sich auch nichts anderes erwartet.“ (Andi Wahl) Schon die Namen: aberwitzig. Hauptkommisar Speckberg. Ein gewisser Teufel Nirvana Jesus. Hofrat Schwartl. Fräulein Fleischhacker und so weiter.

„Fett“ ist Krimi, ist Horrorstory, ist Science Fiction, ist (Endzeit-)Thriller. Also schwer einzuordnen. Aber auch egal: Fett ist nicht zwingend ein Buch für kontemplative Stunden und reaktionäre Literaturpäpste. Dieser Roman mit seinen rund 250 absatzmageren Seiten läßt sich auch von konzentrationsschwachen Gemütern mitten im größtem Chaos lesen. Wo immer man einsteigt und hineinliest, reisst einen die Bilderflut mit. Rock ’n’ Roll. Gutes Kino. Oder eben: Theater. Denn Harry Gebhartl ist spürbar jemand, der vom Theater kommt, einer, der nicht nur den nüchternen Text sondern auch das gesprochene und vor allem das inszenierte Wort im Auge hat.

Als künstlerischer Leiter im Theater Phönix weiss Gebhartl natürlich wie eine Story auf Dauer zu erzählen ist, ohne dass sie ausfranst, ohne geschwätzig im Banalen zu versanden. Fett ist dabei längst nicht nur visuell. Dem Buch merkt man an: Hier wurde genau gearbeitet, präßise getüftelt und gefeilt bis es passt, bis es nicht mehr ruckelt.

Ein Roman, nicht nur für die immer zahlreicheren Fans der sogenannten Dystopien. Zu Empfehlen ist übrigens auch der Mitschnitt von der Buchpräsentation. Nachzuhören bei Radio FRO.

 

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Das Buch:

Harry Gebhartl: „Fett“. Roman. Erschienen im arovell verlag. 2013.
 

Der Rezensient:

 

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