Kulturpolitik in den Zeiten der Mangelwirtschaft

 

Die Zeit der kulturpolitischen Thesenpapiere, der Visionen («Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik» lautete das Credo) ist vorbei. Auch im kulturpolitischen «Diskurs» scheint man sich mit den «Rahmenbedingungen» abgefunden zu haben. «Gesellschaftspolitik » spielt da (vordergründig) keine Rolle. Den Blick in «eine» Zukunft wagt kaum wer. Unverschämte Forderungen sucht man vergeblich.

 

 

In den Texten zur Kulturpolitik ist noch immer viel vom «Müss(t)en» und «Soll(t)en» die Rede. Aber man fühlt sich zunehmend an Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften» erinnert, worin es einmal über den «Essay» heißt, dieser nehme ein «Ding von vielen Seiten», jedoch «ohne es ganz zu erfassen».
Ähnlich verhält es sich mit dem von der (deutschen) Kulturpolitischen Gesellschaft editierten «Jahrbuch für Kulturpolitik 2014». Schon der Untertitel, «Neue Kulturförderung» lässt erahnen, dass die alten Wege nun also ganz offiziell nicht mehr genügen und dass es nicht «besser» oder «mehr» würde – sondern eben «neu» – und zwar so «neu» wie es zum Beispiel das sogenannte «Crowdfunding» angeblich ist.

Wer die Beiträge liest, erfährt viel Brauchbares. Irgendwie geht einem. aber auch der Begriff «Mangelwirtschaft » nicht mehr aus dem Kopf. Schon im Eingangsstatement der Staatsministerin wird der (Finanz) Rahmen abgesteckt, wenn Monika Grütters dort vom «notwendigen und richtigerweise strikten Sparkurs » schreibt und auch davon, dass erfreulicherweise trotzdem die Kulturfinanzierung des Bundes um 27 Millionen Euro aufgestockt werden konnte – aber zugleich Länder und Kommunen gekürzt hätten.
Immer tun sich irgendwo wieder neue Löcher auf! Im Gehege dieser Vorgaben finden nun auch die Beiträge der Autoren statt: Versuche (seltener: «Forderungen »), den Problemen der Zeit halbwegs gerecht zu werden. Die «Herausforderungen» sind auch hierzulande bekannt: Überalterung, (wachsendes) Desinteresse an kulturellen Angeboten, Publikumsschwund (nicht nur) im Theater, genereller Sparkurs, «Projektitis», die Ausdifferenzierung (womit gemeint ist: Unübersichtlichkeit und der Kannibalismus) von Angeboten, eine zunehmend medialisierte Gesellschaft, der Zwang zur Dauerinnovation. Dazu werden noch die bekannten und scheinbar unumstößlichen «Unverhältnismäßigkeiten» angesprochen. Die alte Leier von den «Tankern und Schnellbooten» und die allgemeine Tendenz, «Neues» nicht strukturell sondern bestenfalls temporär …

Antworten und Lösungsansätze? Effektiver, wirksamer werden. Netzwerke. Partnerschaften, Kooperationen. Synergien. Mehr Qualität. Optimaler Einsatz der Mittel! Die «neuen Wege?» – man hat schon von ihnen gehört.

Dazwischen finden sich kritische Worte, die es sich immer lohnt zu lesen. Wobei: «Umschichtungen» werden zwar angedeutet – aber so direkt angesprochen wie noch im «Kulturinfarkt» längst nicht mehr. «Revolutionen» sind in der Kulturpolitik nicht gern gesehen. Manches ist schlicht «unsäglich».
Am Ende bestätigt sich: Kulturpolitik ist keine Gesellschaftspolitik mehr. Vielmehr läuft und hinkt sie der Gesellschaft hinterher – und wo diese hingeht, das weiß keiner.

 

Jahrbuch für Kulturpolitik 2014. Thema: Neue Kulturförderung. Institut für Kulturpolitik der kulturpolitischen Gesellschaft (Hrsg.). Essen 2015. ISBN: 978-3-8375-1396-7

kupoge.de/jahrbuch.html

 

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